in puncto dzb lesen - 01 / 2025
Ausgabe 01 / 2025
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
vor genau 10 Jahren startete hier die erste Ausgabe der „in puncto dzb lesen“, damals noch unter dem Titel „in puncto dzb“. Seitdem sind viele Ausgaben erschienen, in denen ich hinter die Kulissen des Hauses schaute, Menschen bei der Arbeit porträtierte, Freunde und Partner des dzb lesen interviewte – kurzum: Sie, liebe Leserinnen und Leser, an aktuellen Themen des dzb lesen teilhaben ließ. Mit viel Herzblut habe ich relevante Informationen rund um das dzb lesen redaktionell bearbeitet und versucht, Ihnen diese auf interessante und unterhaltsame Weise nahezubringen. Ich hoffe, das ist mir gelungen. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen, die mich mit ihren Beiträgen für das Kundenmagazin unterstützt haben – sei es mit Buchempfehlungen, Artikeln zu „Technik getestet“ oder anderen Texten.
In der ersten Ausgabe des Jahrgangs 2025 beginnen wir anlässlich „200 Jahre Brailleschrift“ mit einer Reihe, in der ich Ihnen Menschen im dzb lesen vorstelle, die tagtäglich mit der Brailleschrift zu tun haben. Wie auch Sie im Jubiläumsjahr aktiv werden und ein Überraschungsgeschenk gewinnen können, erfahren Sie im Folgenden.
Außerdem empfehle ich Ihnen ein interessantes Interview mit dem jungen Autor Domenico Müllensiefen, der zur Leipziger Buchmesse in unserem Haus aus seinem aktuellen Buch liest. Um das Handy Blindshell Classic 3 geht es in unserer Technik-Rubrik und wie immer haben wir für Sie einige Buchempfehlungen zusammengestellt.
Ich wünsche Ihnen nun eine informative und unterhaltsame Lektüre! Und genießen Sie die ersten warmen Frühlingstage!
Ihre Gabi Schulze
Redakteurin „in puncto dzb lesen“
Im Fokus: 200 Jahre Brailleschrift
In diesem Jahr wird die Brailleschrift, die nach ihrem Erfinder Louis Braille benannt ist, 200 Jahre alt. Deshalb stellen wir Ihnen in den kommenden vier Ausgaben des Kundenmagazins Menschen vor, deren Tätigkeit im dzb lesen vor allem mit der Brailleschrift zu tun hat.
Mit Regelwerk, Computertechnik und gestalterischem Spürsinn
Als Arite Stosch-Ball ihre Arbeit im dzb lesen 1996 begann, schrieb sie eines ihrer ersten Braillebücher tatsächlich noch mit einer elektrischen Handpunziermaschine. Den gesamten Text des Buches „Sagen des klassischen Altertums“ von Gustav Schwab hat sie in Brailleschrift auf Zinkblechplatten punziert. „Das war eine schwere Arbeit und man durfte keinen Fehler machen“, sagt Arite Stosch-Ball. Sie lernte die Brailleschrift an der Pichtmaschine. „Ich habe immer eine Seite geschrieben und diese dann korrigieren lassen. So hat die Übertragung eines Buches anfangs recht lange gedauert.“
Caroline Waldenburger begann 2002 zunächst als Vorleserin in der damaligen DZB zu arbeiten und erlernte die Brailleschrift am Rechner. „Ich schrieb ein Buch in Vollschrift und Kurzschrift ab, Zeichen für Zeichen über die Tastatur des Computers“, erzählt Caroline Waldenburger. „Mithilfe unserer Arbeitsunterlagen habe ich das Layout des Buches gestalten können.“
Damals suchten die beiden Übertragerinnen eine berufliche Veränderung. Sie scheuten den Neuanfang nicht und begannen, Schritt für Schritt die Brailleschrift und deren Regeln in Text und Gestaltung zu erlernen. „Brailleschrift ist für mich so etwas wie eine Fremdsprache, die man erlernen muss“, meint Arite Stosch-Ball. „Das war für mich kein Problem. Man braucht jedoch mehrere Jahre. Und auch heute ist man immer noch nicht perfekt und lernt immer wieder hinzu.“ Ihre Kollegin ergänzt: „Die Vollschrift zu erlernen geht sicher schnell. Doch die Kurzschrift mit ihren Kürzungen ist sehr umfangreich. Es gibt viele Regeln und die Buchgestaltung kommt hinzu. Man kann das nicht getrennt voneinander sehen.“ Diese Regeln sind zum einen im „System der deutschen Brailleschrift“ und zum anderen in den dzb lesen-Arbeitsunterlagen definiert. Sie sind die Basis für die Übertragung in die Brailleschrift.
Software-Programme übernehmen Analyse und Strukturierung der Texte
Seit Mitte der 1990er Jahre werden Bücher, Zeitschriften usw. im dzb lesen mit dem Hagener Braille-Software-System (HBS) übertragen, d. h. sie müssen in digitaler Form vorliegen und werden mithilfe des Programms in Brailleschrift umgewandelt. Damals scannte man die Bücher noch ein und die Fehler der Scans wurden korrigiert. Heute liefern die Verlage ihre Bücher hauptsächlich im EPUB-Format, einem digitalen Datenformat. Seitdem haben Arite Stosch-Ball und Caroline Waldenburger tausende von Seiten übertragen.
Ein bedeutender Einschnitt in ihre Übertragungstätigkeit war die Einführung einer Software, die im Rahmen des Projektes Leibniz programmiert wurde. In drei Jahren, von 2009 bis 2012, entwickelten Programmierer in der DZB ein nach dem Projekt benanntes universelles Werkzeug, mit dessen Hilfe Texte und Bilder automatisch analysiert und strukturiert werden können. Überschriften, Absätze, Listen und Tabellen werden ausgezeichnet und Steuerbefehle legen das Layout des Textes fest, zum Beispiel, wo es Einrückungen im Text oder freie Zeilen geben soll und wie die Überschriften aussehen sollen. „Früher haben wir die Steuerbefehle in die HBS-Datei geschrieben, heute gibt die aus dem EPUB entstandene Leibniz-Datei die Textauszeichnung u. a. für die Übertragung in die Brailleschrift aus“, erklärt Caroline Waldenburger. Das Leibniz-Programm generiert übrigens nicht nur das Datenformat für die Übertragung in Brailleschrift, sondern gleichzeitig auch Datenformate für die Herstellung eines Großdruckbuches und E-Books. Es ist für die Übertragung unverzichtbar geworden und wird immer weiterentwickelt.
Qualität der Verlagsdaten wird immer besser
Auf dem Tisch von Arite Stosch-Ball liegen mehrere Bücher, die als nächstes in Brailleschrift produziert werden sollen: „Wir sehen uns im August“ von Gabriel García Márquez und „Die Möglichkeit von Glück“ von Anne Rabe. Aktuell ist Arite Stosch-Ball gerade dabei, den 7. Band „Nacht über der Havel“ aus der Reihe „Fräulein Gold“ von Anne Stern zu übertragen. Diese Reihe gibt das dzb lesen auch als Fortsetzungsroman im Abonnement heraus. Mithilfe des HBS-Programms wird die strukturierte Datei in Brailleschrift umgewandelt. Danach nimmt Arite Stosch-Ball die Seiten- und Bandeinteilung vor. „Die Qualität der Verlagsdaten wird immer besser. Demzufolge haben wir auch weniger Fehler in der Übertragung“, sagt die Übertragerin, die auch für die Endkontrolle der Bücher verantwortlich ist.
Viel zu tun – mit Büchern!
Arite Stosch-Ball mag Bücher mit vielen Seiten, also dicke Wälzer oder auch Sachbücher wie zum Beispiel Kochbücher, die im Gegensatz zu Romanen eine komplexe Struktur mit vielen Kapiteln, Unterkapiteln und Tabellen haben. „Meine Tätigkeit ist sehr vielseitig. Ich übertrage nicht nur Bücher, sondern bearbeite auch Aufträge und Zeitschriften“, erzählt Arite Stosch-Ball. „Und da ich viel mit Büchern zu tun habe, entdecke ich auch interessante Titel, die ich dann selbst gern in Schwarzschrift lese.“
Dem schließt sich Caroline Waldenburger ohne Zögern an: „Bücher, Braille und Vielfalt – das sind die Dinge, die mir an meiner Tätigkeit gefallen.“
Der berufliche Neuanfang vor Jahren hat sich für beide Frauen gelohnt – und natürlich auch für blinde Bücherfreunde des dzb lesen. Als Expertinnen der Brailleschrift tragen sie dazu bei, dass immer wieder Nachschub an neuem Lesestoff in die Braille-Bibliothek kommt.
Ein Elfchen zum 200. Jubiläum: Machen Sie mit!
Zum 200. Jubiläum der Brailleschrift suchen wir Ihre ganz persönliche Beziehung zur Brailleschrift in Form eines Elfchens. Das kurze Gedicht besteht aus elf Wörtern in fünf Zeilen. In der ersten Zeile steht EIN Wort, das meist das Thema vorgibt, in der zweiten Zeile stehen ZWEI Wörter, in der dritten DREI, in der vierten VIER und in der letzten Zeile steht wieder EIN Wort. Zum Beispiel:
Brailleschrift / Sechs Punkte / öffnen die Tür / Bildung, Wissen, Kultur, Teilhabe / Genial.
Das klingt herausfordernd? Probieren Sie es aus und schicken Sie uns Ihr Elfchen bis spätestens 5. Mai 2025 per E-Mail an presse@dzblesen.de oder per Post an: dzb lesen, Kennwort: Elfchen „in puncto dzb lesen“, Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig.
Wir prämieren in jeder Ausgabe drei Elfchen mit je einem Überraschungsgeschenk.
Kurz gemeldet
Mini-Abonnement-Aktion zum Braille-Jahr 2025
Zum Braille-Jahr 2025 bietet das dzb lesen allen Leserinnen und Lesern der Brailleschrift ein Mini-Abonnement der Zeitschrift „Vollzeichen“ an. Es umfasst drei Ausgaben zum Preis von nur fünf Euro. Zum Vergleich: Ein reguläres Jahresabonnement mit sechs Ausgaben kostet 28 Euro.
Die Zeitschrift erscheint alle zwei Monate und enthält unterhaltsame kurze Texte: Gedichte, kleine Geschichten, Rezepte, Rätsel und Alltagstipps, die das Erlernen der Brailleschrift erleichtern.
„Vollzeichen“ ist in Vollschrift mit großem Zeilenabstand für Einsteiger erhältlich und für Fortgeschrittene in Voll- und Kurzschrift (gedruckt oder als digitaler BRL-Download).
Das Mini-Abo für drei Ausgaben von nur fünf Euro kann im Internet unter www.dzblesen.de/200-jahre-brailleschrift oder telefonisch unter 0341 7113-120 bestellt werden.
Die Aktion wird von unserem Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“ unterstützt.
„Der Moral-o-mat“ – für alle, die gern diskutieren
Schlagkräftige Behauptungen und provokante Thesen – mit dem Buch „Der Moral-o-mat“ kreieren Sie Sätze, die zu einer tiefgründigen Diskussion anregen. Durch das Umblättern der drei Blöcke (Satzbausteine) im Buch kommen im Handumdrehen zufällig immer wieder neue Sätze zustande, über deren Aussagen es sich lohnt zu debattieren. Die Satzbausteine sind dabei frei kombinierbar und ergeben sofort einen Sinn. Manche Thesen zu Leben und Gesellschaft rufen Erstaunen hervor. Andere provozieren zur Gegenrede. Aber jeder wird über kurz oder lang eine Meinung haben und sich mit den anderen dazu austauschen wollen.
„Der Moral-o-mat“ ermöglicht, auf spielerische Art und Weise miteinander ins Gespräch zu kommen und ordnet sich damit wunderbar ein in die Reihe der Klappbücher „Nostalg-o-mat“, „Quatsch-o-mat“ und „Taschen-Therapeut". Er ist auch ein perfektes Geschenk für jene, die Diskurse über Themen der Gegenwart mögen.
Ringbroschur mit dreigeteilten Seiten zum Klappen, Braillevollschrift und Schwarzdruck, 17 Euro (netto), Verkauf V012322, Ausleihe 21569
Piep, piep, piep: Das Buch der Töne und Geräusche
Wie macht der Esel? – i-aah. Und das Gespenst? – huhuu. Dieses Buch animiert die Kleinsten, Geräusche zu entdecken und sie selbst nachzuahmen. Es ist eine wahre Freude, wie viele Varianten an Tönen und Lauten das taktile Bilderbuch sammelt: "bimbam", "täterätätä" und "ticktack“.
Das Buch besteht aus 20 Doppelseiten mit jeweils einem Tier oder Gegenstand und dem passenden Geräusch dazu. Nicht nur Tierstimmen kommen im Buch vor, sondern auch die Töne der Trompete, des Polizeiautos, des Wassertropfens. Kurze sich ähnelnde Sätze in Brailleschrift und Großdruck regen zum Mitsprechen und Nachahmen der Geräusche an: "Die Taube macht ruckedigu."
Die tastbaren Illustrationen aus Relieflack mit kräftigen Farben und schwarzen Konturen ergänzen die Texte und zeigen, von wem die Geräusche kommen.
Empfohlen wird das Bilderbuch vorrangig für Kinder mit Sehbehinderung ab drei Jahren. Sie können die Geräusche, die sie schon kennen, imitieren. Spielerisch lernen sie aber auch neue hinzu. Wussten Sie, welches Geräusch eine Steckdose macht?
Ein wunderbares Mitmach- und Vorlesebuch für zu Hause und unterwegs!
Soledad Bravi: Piep, piep, piep. Buch mit Ringbindung, farbige Braillevollschrift (Braillelack), Großdruck und 20 taktile Illustrationen (Relieflack), Format 15 x 15 cm, Ausleihe 21550, Verkauf V012289, 20 Euro (netto)
Braillebücher mit Ringbindung und neuen Preisen
Ab Januar 2025 werden neben den Großdruckbüchern auch alle Braillebücher (Ausleihe und Verkauf) standardmäßig ausschließlich mit Ringbindung produziert. Alle Titel erhalten ein farbiges Titelblatt mit stabilen Kunststoff-Deckeln (Priplak).
Braillebücher mit Ringbindung erfreuen sich bei unseren Nutzerinnen und Nutzern großer Beliebtheit. Sie sind besonders flexibel in ihrer Handhabung, weil man sie einfach umblättern und so besser lesen kann.
Nicht nur die Ausstattung der Braillebücher hat sich geändert, auch die Preise im Verkauf sind andere: Ein Band (Ringbindung) kostet jetzt 14 Euro, jeder weitere 12 Euro.
Auf individuelle Nachfrage fertigen wir aber auch Braillebücher im Festeinband an (1. Band 24 Euro, jeder weitere 22 Euro). Die Preise sind mit Beginn des zweiten Quartals 2025 gültig.
Interview
Das dzb lesen im Jahr 2024: ein Blick zurück und einer nach vorn
Digitale Braille-Ausleihe, barrierefreie E-Books, 200 Jahre Brailleschrift – im Folgenden gibt Prof. Dr. Thomas Kahlisch, Direktor des dzb lesen, Auskunft über die Herausforderungen in diesem Jahr, nicht ohne an die Höhepunkte des letzten Jahres zu erinnern.
Was waren Ihrer Meinung nach 2024 die wichtigsten Höhepunkte für das dzb lesen?
Die Schaffung neuer Lese- und Informationsangebote stand auch im letzten Jahr im Fokus unserer Aktivitäten. Highlights waren unter anderem unsere inklusiven Kinderbücher, Rätsel- und Malhefte. Hier haben wir einige neue Titel veröffentlicht. Gerade Ende des Jahres wurden zwei neue Titel fertiggestellt, die wir Anfang 2025 veröffentlichen: Im Kinderbuch-Bereich sind das „Piep, piep, piep – das Buch der Töne und Geräusche“ und „Kleine und große Wunder der Natur“, eine Sachbuch-Reihe. Ein tolles Projekt war auch die Produktion des tastbaren Bilderbuches „Der Grüffelo“ in niederländischer Sprache für die Luisterpunt-Bibliotheek in Brüssel.
Es freut mich, dass wir im letzten Jahr durch verschiedene Aktivitäten immer mehr Nutzerinnen und Nutzer gewinnen konnten, die unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen – und das auch im Bereich der Brailleschrift-Ausleihe. Wir haben uns sehr im Bereich Leseförderung engagiert und Schulen konkrete Lese-Angebote mit unseren Lesekisten geliefert. Dadurch konnten wir einen Zuwachs an Ausleihen und Nutzern verzeichnen. Das Gleiche sehen wir auch im Hörbuchbereich, wo sich der Download immer mehr durchsetzt. Schon über die Hälfte der Ausleihen erfolgen jetzt per Download. Das ist ein tolles Ergebnis. Auch das Angebot an Großdruckbüchern wächst. Es ist zwar noch ein kleines Segment. Wir sind aber dabei, dieses auszubauen.
Ein Highlight 2024 war auch das Musik-Projekt „Do it!“. Die Website ist im letzten Sommer online gegangen und die Einsteigervideos zum Erlernen von Musikinstrumenten kommen sehr gut an.
Letztes Jahr hatte das dzb lesen seinen 130. Geburtstag und unser Förderverein ist 20 Jahre alt geworden. Diese beiden Jubiläen haben wir gebührend gefeiert. Nicht zu vergessen ist unsere Präsentation auf dem Louis-Braille-Festival in Stuttgart im Mai und auch der Tag der offenen Tür im September mit vielen Gästen.
2025 gibt es ein weiteres Jubiläumsjahr: Wir feiern 200 Jahre Brailleschrift. In der Auftaktveranstaltung von Medibus und DBSV wurde Anfang Januar erstmalig der Download von Büchern in Brailleschrift vorgestellt. Bitte erzählen Sie mehr über das Medibus-Projekt. Wie ist der aktuelle Stand und wann wird die Plattform freigeschaltet?
Medibus arbeitet daran, ein barrierefreies Ausleih- und Downloadsystem von Braille-, Hörbuch- und E-Book-Inhalten auf Basis eines zentralen Ausleihsystems zu schaffen. Auf der Basis dieser Software wurden Lösungen für den Braille-Download und die Einführung einer E-Book-Ausleihe gesucht. Das heißt, es wird eine neue Plattform geben, über die man die Bücher in Brailleschrift, als Hörbuch und auch als barrierefreies E-Book herunterladen kann.
Wir können noch keinen genauen Termin festlegen, aber das große Ziel ist es, die Plattform im März oder April 2025 online zu schalten. Das bedeutet, dass man dann sowohl über den Medibus-Katalog (www.medibus.info) als auch über die Kataloge in Leipzig und in Marburg neben den Hörbüchern auch Bücher in Brailleschrift herunterladen kann. Die Blista in Marburg wird ab März erste E-Books anbieten. Das dzb lesen wird dann in Kürze folgen.
Wie sieht es mit der Realisierung des Braille-Downloads konkret im dzb lesen aus?
Es wird mehrere Wege geben, die Bücher herunterzuladen: Zum einen erfolgt der Download über die auf Windows laufende BliBu-Anwendung, die ja schon bekannt ist. Man wird aber auch über die Online-Kataloge selber Bücher recherchieren und herunterladen können. Und drittens ist geplant, über mobile Apps auf dem Smartphone den Download zu ermöglichen.
Wie ist der Stand der E-Book-Produktion im dzb lesen?
Wir gehen derzeit davon aus, dass wir selber auch barrierefreie E-Books produzieren werden, weil wir bislang von den Verlagen nicht so viele barrierefreie E-Books bekommen. Produktionstechnisch sind wir in der Lage, ein Buch, das bei uns als Braille- oder Großdruckbuch produziert wird, parallel auch als E-Book herzustellen. Wie sich die Zusammenarbeit mit den Verlagen weiterentwickelt, wird sich zeigen. Es ist ja auch jetzt schon so, dass wir die Daten der Verlage einkaufen und diese für unsere Buchproduktion barrierefrei machen. Zukünftig werden wir aber nicht als kommerzieller Anbieter von E-Books auftreten. Wir sind weiterhin als Bibliothek tätig und es bleibt abzuwarten, wie breit das Angebot an barrierefreien E-Books auf dem Buchmarkt sein wird. Wir sehen uns als Vermittler und als Anbieter von auf Barrierefreiheit geprüften E-Books. Wir werden unsere Nutzerinnen und Nutzer in technischen Dingen, wie z. B. Leseprogramme für E-Books, beraten. Das wird sich in den nächsten Monaten entwickeln.
Bis Juni 2025 müssen die Inhalte von E-Books und deren Vertriebswege von den Verlagen barrierefrei gestaltet sein. Das dzb lesen hat von Anfang an die Verlage dabei unterstützt. Stichwort: Zertifizierungsverfahren für barrierefreie E-Books. Wie ist der Stand der Dinge?
Im Bereich des inklusiven Publizierens haben wir im Deutschen Börsenverein mit den Verlagen zusammengearbeitet und gemeinsam mit der Blista ein Zertifizierungsverfahren für die Barrierefreiheit von E-Books entwickelt. Das soll uns als Prüfstelle ermöglichen, E-Books auf ihre Qualität hin zu bewerten und den Verlagen auch ein Feedback zu geben. Das Verfahren hat sich im letzten Jahr schon bei den nominierten Büchern für den Deutschen Buchpreis bewährt. Hier haben wir es konkret angewendet.
Welche wichtigen Aufgaben stehen 2025 für das dzb lesen an?
Im letzten Jahr haben wir zwei neue Braillo-Drucker gekauft, mit deren Hilfe wir Literatur und Zeitschriften effektiver und preisgünstiger herstellen können. Wir haben unser Bindeverfahren von der Fadenheft- auf die Ringbindung umgestellt. Das wird sehr gut angenommen, weil die Bücher leichter werden und andererseits besser handhabbar sind. Das alles wollen wir weiterführen. Wir testen auch, auf welche Art und Weise wir die Zeitschriften und Bücher verschicken können. Erwähnt habe ich schon, dass wir auch eigens produzierte barrierefreie E-Books anbieten werden.
Die Aufbaukurse des Musikprojektes „Do it!“ werden im Frühjahr online gehen. Wir arbeiten parallel an einem Fortsetzungsantrag, um neue finanzielle Mittel für weitere Kurse erhalten zu können. Außerdem soll es in diesem Jahr noch eine einfache benutzerfreundlichere Oberfläche für die dzb lesen-App geben. Da läuft zurzeit ein Entwicklungsprojekt. Ich bin gespannt, wie wir dieses Jahr vorankommen. Außerdem wird es wieder Veranstaltungen zur Leipziger Buchmesse geben und wir präsentieren uns auch auf der SightCity. Zum 200-jährigen Braille-Jubiläum werden wir Lesungen durchführen und uns einreihen in die Veranstaltungen, die Medibus und der DBSV organisieren. Unsere Aktionen und Veranstaltungen findet man auf unserer Sonderseite zum Jubiläum auf www.dzblesen.de.
Welches Buch, das Sie 2024 gelesen haben, möchten Sie unserer Leserschaft empfehlen?
Empfehlen möchte ich die Bücher von Martin Walker. Der Autor schreibt über den französischen Polizisten Bruno, der Chef de Police ist, leidenschaftlich gern kocht und das Essen genießt. Martin Walkers Krimis haben immer Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Themen und politischen Geschehnissen. Mir gefällt der sympathische Charakter des Dorfpolizisten. Es macht Spaß, die Bücher zu lesen, weil man auch viel über die französische Küche aus der Region des Périgord und über die Landschaft erfährt.
Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Kahlisch!
Vorgestellt
Backe, backe Kuchen!
Da nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über gebacken wird, liefern wir Ihnen in dieser Ausgabe ein Plätzchen-Rezept aus dem bei uns neu erschienenen Buch „Einfach backen“.
Das Buch ist ein ganz besonderes: Zum einen sammelt es 10 Rezepte, die ohne großen Aufwand und mit wenigen Zutaten saftigen Kuchen, fluffige Muffins und knusprige Kekse versprechen. Zum anderen besticht das Buch durch seine außergewöhnliche Handhabung mit einer Schablone, die leicht erhältliche Zutaten auflistet. Schiebt man diese Zutatenschablone in die rechten Buchseiten, dann erscheinen in den Aussparungen die benötigten Zutaten in Schwarz- und Brailleschrift. Unter den Aussparungen stehen die dazugehörigen Mengenangaben und zum Teil auch spezifische Angaben wie Früchte oder Beschaffenheit der Zutat. Auf den linken Seiten des Backbuches kann man die einfache Anleitung in Schwarzschrift und Brailleschrift (auf Folie geprägt) lesen.
Egal ob Sie schon lange in ihrer Freizeit backen oder erst damit angefangen haben, mit diesen Backrezepten kreieren sie im Handumdrehen leckere Backwaren: Bananen-Haferflocken-Kekse, Birnen-Schokoladen-Kekse, Zwetschgen-Crumble, Heidelbeer-Muffins, Blechkuchen mit Schoko-Streuseln, Zitronenkuchen, Schokokuchen, Karottenkuchen, Apfelkuchen und Bananenbrot.
Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des dzb lesen haben die Rezepte schon ausprobiert und können bestätigen, dass das Buch alltagstauglich ist und die süßen Verführungen schmecken. Und damit Sie uns glauben, liefern wir Ihnen an dieser Stelle schon einmal ein Rezept daraus und wünschen Ihnen viel Freude beim Backen und Genießen.
„Einfach backen“, Verkauf V012292, 27 Euro, Ausleihe 21600, Bestellungen an: verkauf@dzblesen.de oder telefonisch unter 0341 7113-119.
Rezept: Birnen-Schokoladen-Kekse
Zutaten: 200 g Mehl, 1 TL Backpulver, 1 reife Birne, 100 g Zucker, 1 Ei, 100 g Butter, 100 g Schokolade.
Zubereitung:
1. Lege ein Backblech mit Backpapier aus.
2. Hacke die Schokolade in kleine Stücke. Schäle die Birne, entferne das Kerngehäuse und schneide sie in kleine Würfel.
3. Verrühre in einer Schüssel Zucker, weiche Butter und Ei mit dem Rührgerät. Rühre Mehl und Backpulver unter.
4. Gib die Schokolade und Birnenstücke dazu. Verrühre alles.
5. Forme kleine Teigkugeln und lege sie mit etwas Abstand auf das Backblech. Drücke sie leicht an.
6. Backe die Kekse im vorgeheizten Backofen bei 180 Grad Celsius Ober-/Unterhitze für ca. 12 Minuten.
Nahaufnahme
Leipziger Buchmesse 2025: Lesung mit Domenico Müllensiefen
Der Frühling kommt bestimmt und mit ihm der Bücherfrühling, der von der Leipziger Buchmesse in der Zeit vom 27. bis 30. März eingeläutet wird. Das dzb lesen wird dort seine aktuellen Titel mit Fokus auf die Kinder- und Jugendliteratur präsentieren. Wir freuen uns auf zahlreiche Gäste an unserem Stand A 207 in Halle 2!
Im Rahmen von „Leipzig liest“ findet am 27. März, 19 Uhr eine hybride Lesung mit Domenico Müllensiefen, dem Autor des Buches „Schnall dich an, es geht los“, im Haus des dzb lesen, Gustav-Adolf-Straße 7 in Leipzig, statt. Die Zugangsdaten für die digitale Lesung finden Sie auf www.dzblesen.de unter Veranstaltungen.
Domenico Müllensiefens Roman können Sie in Voll- und Kurzschrift und in Großdruck ausleihen und kaufen.
„Schnall dich an, es geht los!“ – aber wohin?
Marcel ist 36 Jahre alt und arbeitet in einem kleinen Ort in der Altmark als Drehspießverkäufer. Er hat als Teenager um die Jahrtausendwende seinen Hauptschulabschluss gemacht, seine Lehre abgebrochen und hält sich jetzt ungelernt mit kleinen Jobs über Wasser. Mit seinem Freund Pascal geht er zum Fußball und in die Kneipe im Ort. Ansonsten lebt er lethargisch in den Tag hinein und träumt von einem anderen Leben. Doch wie das aussehen soll, weiß er nicht – schön wäre eine Zukunft gemeinsam mit Steffi, seiner Jugendliebe, die vor 20 Jahren ganz plötzlich verschwunden war und nun wieder im Ort aufgetaucht ist.
Seine Erinnerungen schweifen in die Kinder- und Teenagerzeit zurück, eine Zeit, in der die Menschen Ostdeutschlands nach der Euphorie der Wiedervereinigung Arbeitslosigkeit und Existenzängste erfahren haben. Ganz besonders in strukturschwachen Regionen wie der Altmark wurden sie an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
Der Ich-Erzähler erlebt in dieser Zeit, wie sein labiler Vater arbeitslos wird und die Familie den Kredit für das Haus nicht abbezahlen kann, wie dieser gemeinsam mit seinem Freund Dirk kriminelle Geschäfte mit Nazi-Utensilien macht, wie seine Familie auseinanderbricht, seine Schwester Vanessa darunter leidet und sich das Leben nimmt.
Überhaupt sind die Frauen, Marcels Schwester Vanessa und seine Freundin Steffi, die Figuren, die die Spannung in die Handlung des Romans bringen: Warum ist Vanessa mit dem Auto ihres Bruders gegen die Mauer gefahren? Warum ist Steffi plötzlich verschwunden und taucht nach 20 Jahren mit ihrem Sohn wieder auf? Durch die abwechselnden Sprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart zeigt der Autor auf, wie die Figuren zu dem geworden sind, was sie jetzt sind: Pascal ein arbeitsloser Alkoholiker, Marcels Mutter alkoholkrank, Pascals Vater ein Faschist …
Und Marcel? Der versucht das Beste aus seinem Dasein zu machen und wartet, dass es endlich los geht, dass sein Leben eine bessere Wendung nimmt. Und am Ende schnallt er sich tatsächlich an und wird aktiv.
Zum Autor: Domenico Müllensiefen, 1987 in Magdeburg geboren, ist auf einem Bauernhof in der Altmark aufgewachsen. Mit 16 hat er eine Lehre zum Systemelektroniker absolviert und als Techniker gearbeitet, bevor er am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert hat. Während seines Studiums jobbte er als Bestatter und war jahrelang Bauleiter, bevor 2022 sein Debütroman "Aus unseren Feuern" erschien. "Schnall dich an, es geht los" ist sein zweiter Roman.
Interview: „Ostdeutschland ist meine Heimat“
Wie Domenico Müllensiefen zum Schreiben kam und warum er kein Osterklärer sein möchte, über die Altmark, in der Marcel, die Hauptfigur des Romans, lebt, und über Steffi, Marcels große Liebe – darüber gibt der Autor im Interview mit Gabi Schulze Auskunft.
Auch wenn folgende Frage immer wieder Autorinnen und Autoren gestellt wird: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Ein Leben ohne Literatur ist für mich nicht vorstellbar. In meiner Jugend ging ich viel in Buchläden und nahm mit, was mir gerade so in die Finger kam. Es gab Wochen, in denen ich neben der Arbeit zwei bis drei Bücher las. Das war nicht unbedingt die Literatur, die wir als Hochkultur bezeichnen würden. Ich las Terry Pratchett, John Grisham und Douglas Adams. Später entdeckte ich dann Sven Regener, Michel Houellebecq und Clemens Meyer. Als ich zwanzig war, hatte ich dann einen Bürojob, in dem es nichts zu tun gab. Gar nichts. Mit fünf Kollegen saß ich in einem großen Raum, wir hatten alle einen Computer und es gab keine Aufgaben für uns. Ein Kollege neben mir las Perry Rhodan-Romane, andere rauchten eine Zigarette nach der anderen oder wir saßen unsere Zeit in der Kantine ab. Ich hatte die Langeweile ausgiebig genutzt und nervte andere User im damaligen Forum von www.laut.de. Darin war ich richtig gut, aber auch das wurde irgendwann langweilig und dann fing ich an, eine Geschichte über einen Typen zu schreiben, der im Knast saß und früher eine Punkband hatte. Das war keine Hochliteratur, ganz im Gegenteil, aber es waren die Anfänge meines Schreibens.
Sie sind ausgebildeter Systemelektroniker, haben als Bauleiter und als Bestatter gearbeitet. Sie haben aber auch einen Masterabschluss am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Beides hat ihnen geholfen, Romane zu schreiben. Ist das richtig?
Ja.
Ihre Hauptfigur Marcel ist dem Leser sympathisch, weil er zu den so genannten kleinen Leuten gehört, weil er sehr sozial ist und eine warmherzige Art hat. Was ist Marcel für ein Mensch?
Marcel ist naiv. Er sieht in allen anderen Menschen erst einmal die positiven Eigenschaften. Er opfert sich für andere auf und erwartet keinerlei Gegenleistung dafür. Ich glaube, wenn es mehr Marcels geben würde, wäre unsere Gesellschaft in der Summe ein ganzes Stück freundlicher. Und gleichzeitig würde es jede Menge Menschen geben, die versuchen würden diese Marcels auszunutzen. Und das ist der Weg, den Marcel geht: Er lernt, dass er nicht immer den Kopf für andere hinhalten muss, dass er seine eigenen Wünsche formulieren und sich auch mal durchsetzen darf.
Steffi ist Marcels große Liebe, auch so eine Art Hoffnung, dass alles gut wird. Sie ist in den 90er Jahren plötzlich verschwunden und kommt 2023 wieder in die Altmark zurück. Welche Rolle spielt sie in Ihrem Roman?
Sie haben das gut erkannt. Steffi ist die große Liebe, der Marcel auch zwanzig Jahre später noch nachtrauert. Diese Liebe konnte er nie verarbeiten oder gar mit ihr abschließen und seinen Frieden machen. Und so denkt Marcel natürlich, dass es irgendwas mit ihm zu tun haben muss, dass sie wieder auftaucht. Auch das lernt Marcel in dem Roman: Es gibt eine Zukunft, die nicht zwangsläufig die Vergangenheit nachstellen oder wiederholen muss.
Marcels Beziehung zu seinem Vater ändert sich im Laufe der Jahre. Können Sie diese Beziehung beschreiben?
Der Vater ist, und da ähnelt er vielleicht Steffi, eine Überfigur, die von Marcel bedingungslos geliebt und permanent überhöht wird. Aber auch das ändert sich, Marcels Perspektive ist am Ende des Romans eine vollkommen andere. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht zu viel verraten, da es sonst vielleicht zu wenig Gründe gibt, das Buch selbst zu lesen.
Sie erzählen in zwei Zeitebenen, die eine von 1993 bis 2003, da ist Marcel Kind bzw. Teenager, die andere geht von Frühjahr bis Herbst 2023. Warum haben Sie diese Erzählweise gewählt?
Zu Beginn der Arbeit für „Schnall dich an, es geht los“ schrieb ich Miniaturen, in denen ich die Figuren mit alltäglichen Situationen konfrontierte. Zum Beispiel gab es eine Szene, in der Marcel auf einem Plastikstuhl saß und Pascal an einem alten Golf herumschraubte. Diese Szene hat es nie in den Gesamttext geschafft, half mir aber, das gegenwärtige Verhältnis der beiden zueinander zu verstehen. Ich hatte viele solcher kleinen Szenen geschrieben, ein paar davon schafften es dann in den Roman, viele nicht. Irgendwann hatte ich dann den Punkt erreicht, dass ich sehr viel Textmaterial für die Gegenwart hatte, aber dennoch nicht so richtig vorankam. Manchmal verstand ich sogar das Handeln meiner eigenen Figuren nicht. In diesem Moment begriff ich, dass ich in die Kindheit und Jugend der Figuren zurückgehen muss. Auch hier arbeitete ich viel in Miniaturen und lernte mit dieser Herangehensweise nach und nach meine Charaktere immer besser kennen. Ja, und dann ist da irgendwann ein ganzer Roman draus entstanden, der in zwei Zeitebenen funktioniert.
Ihr Roman liest sich wie eine Antwort auf die Frage, warum 35 Jahre nach dem Mauerfall die Spaltung Deutschlands in Ost und West stärker denn je ist. Ich weiß, Sie wollen kein Osterklärer sein. Trotzdem: Dieses Thema „Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung“ beschäftigt sie ja sehr. Warum?
Ostdeutschland ist meine Heimat. Ich lebe seit bald 38 Jahren in Ostdeutschland und es gibt genug Stoff, um hunderte Romane daraus stricken zu können. Also schreibe ich darüber. Aber ich bin nur eine Perspektive. Es gibt viele andere Autorinnen und Autoren, deren Perspektiven genauso berichtenswert sind: Johannes Herwig, Jackie Thomae, Paula Fürstenberg, Charlotte Gneuß, Lukas Rietzschel, Daniel Schulz, Patricia Hempel. All diese Autorinnen und Autoren haben wirklich große Romane geschrieben, die das Leben im wiedervereinigten Deutschland zeigen.
Es gibt mehrere Gründe, warum ich kein Osterklärer sein möchte, einer davon ist, dass meine Perspektive viel zu begrenzt ist, um irgendwas generalisierend erklären zu können. Vielleicht ist es in der Summe der genannten Autorinnen und Autoren möglich, aber auch da habe ich meine Zweifel. Die Bevölkerung der neuen Bundesländer ist vielfältig und heterogen. Ich wünsche mir, dass diese Vielstimmigkeit, in all ihren Widersprüchen und Brüchen, mehr in den Debatten gezeigt wird.
Eine letzte Frage: Wie kam es zu dem Titel des Romans „Schnall dich an, es geht los“?
Naja. Wir brauchten einen Titel, der richtig gut klingt. Und das war dann das Ergebnis.
Vielen Dank für das Interview, Herr Müllensiefen!
Gelesen und empfohlen
Späte Mutterschaft
„Eine ganze Welt“ von Goldie Goldbloom
Als Surie Eckstein mit 57 Jahren erfährt, dass sie wieder schwanger ist, gerät ihre Welt aus den Fugen. Sie lebt in einer großen chassidischen Familie mit Kindern, Enkeln und Urenkeln, geprägt von strengen jüdischen Regeln und Traditionen. Mit der Schwangerschaft gerät ihr bisheriges Leben ins Wanken. Aus Scham vertraut sie sich niemandem an, auch nicht ihrem Mann Yidel, der ihr sonst so nahesteht. Durch die fortschreitende Schwangerschaft gerät sie jedoch immer mehr in ein Dilemma. Surie hält Rückschau auf ihr Leben und beginnt, an bestehenden Konventionen zu zweifeln. Bis plötzlich die Ereignisse eine dramatische Wendung nehmen.
Goldie Goldbloom, selbst Mutter von acht Kindern und chassidische Jüdin, erzählt einfühlsam und warmherzig die Geschichte einer Frau, die unter aufwühlenden Umständen zu sich selbst findet. Schön und herzzerreißend zugleich.
CD-DAISY (08:07 h), Ausleihe 54107
Über den Wert der Freundschaft und die Magie der Bücher
„Der Buchspazierer“ von Carsten Henn
Frau Briest, Mr. Darcy, Herkules: Sie gehören zu den Stammkunden des 70-jährigen Carl Kollhoff, der ihnen die Namen verliehen hat. Täglich macht er sich zu Fuß auf den Weg, um die bestellten Bücher an sie auszuliefern. Nach so vielen Jahren kennt er deren Vorlieben und verpackt jedes Buch liebevoll. Seine ansonsten stark ausgeprägte Menschenscheu wird eines Tages gestört, als plötzlich das neunjährige Mädchen Schascha auftaucht und sich kurzum den Auslieferungstouren anschließt. Seine unbeholfenen Versuche, sie fortzuschicken, scheitern an der Hartnäckigkeit des Kindes. Es hat sehr schnell seine ganz eigenen Vorstellungen entwickelt, welche Bücher den Empfängern wirklich guttun. Als Kollhoff von seiner Buchhandlung das Verbot erhält, weiterhin Bücher auszuliefern, beginnt eine schwere Zeit für den betagten Mann.
Henns Roman erzählt die Geschichte des Buchspazierers mit warmen, einfühlsamen Worten und verzaubert so den Leser von der ersten Sekunde. Die Liebe zu Büchern, die in dieser besonderen Geschichte wahre Freunde für den Protagonisten sind, kommt in zeitlosem und spannendem Stil zum Ausdruck. Schließlich erfährt der Leser auch etwas über die Macht der Bücher, die es vermag, Menschen zu verbinden, um unerwartete Freundschaften zu schließen.
Das Buch hat eine, aller Alltagshektik zum Trotz, entschleunigende und herzerwärmende Wirkung, weshalb es jedem Buchliebhaber dringend zur Lektüre empfohlen wird.
CD-DAISY (06:03 h), Ausleihe 54835
Technik getestet
Das Blindshell Classic 3 – ein neues, altes Handy
Vor einiger Zeit stellten wir hier das smarte Tastenhandy Blindshell Classic 2, entwickelt von der tschechischen Firma Matapo, vor. Schon damals überzeugte die Idee eines Smartphones, dass viele Funktionalitäten eines Android-Handys besitzt, aber wie ein klassisches Tastentelefon zu bedienen ist. Sie können den ausführlichen Artikel zum Blindshell Classic in „in puncto dzb lesen“, Ausgabe 1/2022 nachlesen, die auf www. dzblesen.de unter „Über uns/News und Publikationen“ heruntergeladen werden kann. Ich möchte hier nur auf die Neuerungen eingehen.
Blindshell wieder mit dzb lesen-App
Das Blindshell Classic 3 ist quasi zugänglicher geworden. Man kann jetzt auch Apps von Drittanbietern herunterladen. Diese werden ohne vorherige Veränderungen durch die Entwicklerfirma auf das Blindshell geladen. Besonders freuen wir uns, dass mit diesem Zugang nun auch die dzb lesen-App funktioniert und dzb lesen-Nutzerinnen und -Nutzer, die für DAISY-Online bei uns registriert sind, auf ihr Konto zugreifen können. Dafür ist die E-Mail-Adresse, mit der Sie bei uns angemeldet sind und das dazugehörige Passwort notwendig. Sie können Bücher herunterladen, auf Ihr Konto zugreifen und die ausgeliehenen Titel streamen. Mein Test ergab allerdings, dass das Herunterladen der Bücher auf das Gerät noch nicht funktioniert. Da müssen die Entwickler in einem der nächsten Updates noch nachliefern. Sie können aber Ihr Blindshell an einen PC anschließen und von dort die Bücher im internen Speicher im Ordner Blindshell/Books einfügen. Danach ist es möglich, in der Blindshell Lese-App die Bücher auch offline zu hören. Diese App finden Sie in der Kategorie Bücher.
Mit Touch- und Tandemfunktion
Neu im Blindshell Classic 3 ist auch die Touchfunktion, die für die Drittanbieter-Apps funktioniert. So können Sie die dzb lesen-App, aber auch Apps wie z. B. „Be My Eyes“, mit Gesten bedienen. Wünschenswert wäre, wenn man die Touch-Funktion wahlweise aus- und anschalten könnte. Neu ist ebenfalls die sogenannte Tandem-Funktion. Die Idee finde ich hervorragend, hatte allerdings noch keine Gelegenheit, diese Funktionalität zu testen. Vielleicht können Sie, liebe Leserinnen und Leser, uns Ihre Erfahrungen mit dieser Funktion mitteilen. Gedacht ist, dass ein Kontakt, den man angibt, aus der Ferne auf das Telefon zugreifen kann und den Nutzer somit bei der Bedienung im Notfall unterstützen kann. Da wir selbst in der Familie ein solches Handy nutzen und es so manches Mal zu Fragen bezüglich der Bedienung kommt, kann ich mir die Nützlichkeit der Funktion sehr gut vorstellen.
Mit eingebauter KI Luna
Mit drei GB RAM und 32 GB internem Speicher bietet das Telefon ausreichend Leistung und Speicherplatz für Anwendungen und Dateien. Es besitzt einen Dual-SIM-Steckplatz und einen Platz für eine Micro-SD-Karte. Die Bedienungsanleitung ist neu aufgeteilt. Es gibt jetzt ein „Blindshell Handbuch“ und die „Handbücher der Applikationen“.
Für Sehbehinderte hat sich auch Einiges getan. Das Farbschema ist erweitert worden. Konnte man beim Classic 2 zwischen vier Schemata auswählen, sind es jetzt 12. Auch die Schrift ist fetter, am unteren Rand des Bildschirms gibt es einen kontrastreichen Fortschrittsbalken.
Spaß gemacht hat die eingebaute KI Luna. Schon das Blindshell Classic 2 konnte mit Spracheingabe bedient werden, es holperte aber noch etwas. Neben der verbesserten Spracheingabe kann man jetzt ähnlich wie bei ChatGPT Informationen zu allen im Netz verfügbaren Inhalten erhalten. Ich fragte „Was ist das dzb lesen?“. Antwort von Luna: „Das dzb lesen, Deutsche Zentralbücherei für Blinde, ist eine Einrichtung in Deutschland, die sich darauf spezialisiert hat, blinden und sehbehinderten Menschen Zugang zu Literatur zu ermöglichen...“. Natürlich kostet die KI-Funktion dem Akku einiges an Kraft, man kann aber Luna aus- und anschalten.
Fazit
„Das Blindshell Classic 3 kombiniert bewährte Funktionen mit modernen Technologien, um blinden und sehbehinderten Menschen ein benutzerfreundliches und vielseitiges Mobiltelefon zur Verfügung zu stellen. Es erleichtert die Kommunikation und den Zugang zu Informationen im Alltag erheblich.“
Zugegeben – das war jetzt das, was ChatGPT zum Blindshell Classic 3 mitgeteilt hat. Meine eigene Meinung soll natürlich hier auch ganz laut gesagt werden: Ja, es ist ein gutes Handy gerade für Menschen, die nicht so technikaffin sind. Mit über 600 Euro hat es auch seinen Preis. Und es gibt noch ein paar Dinge zu verbessern, siehe die Bemerkungen am Anfang. Gut finde ich, dass es auch hier eine „Fangemeinde“, eine Mailingliste und Offenheit der Entwickler gegenüber den Nutzern gibt. Ich denke, auch zukünftig wird das Blindshell Classic 3 ein beliebtes Hilfsmittel sein.
Wenn Sie Fragen haben, Ihr Team LOUIS im dzb lesen ist gern für Sie da, unter louis@dzblesen.de oder den Telefonnummern 0341 7113-179/-200/-115.
Fragebogen
Sechs Fragen – sechs Antworten
Was ist Ihre Aufgabe im dzb lesen?
Ich bin Buchbinderin und binde Blindenschriftbücher ein. Glückwunschkarten, taktile Kinderbücher und Kalender werden auch von mir gefertigt. Bei uns gibt es verschiedene Bindearten, z. B. die Fadenheftung oder Ringbindung. Die mit Brailleschrift bedruckten Bögen werden auf diese Art und Weise zu einem Buch gebunden.
Welche Arbeit haben Sie gerade auf dem Tisch?
Zurzeit arbeite ich am Buch „Der Quatsch-o-mat“. Das ist ein lustiges Sprachspielebuch. Ich muss die Seiten in der richtigen Reihenfolge zusammentragen. Dann werden die Seiten gelocht und die Spiralbindung angebracht.
In meiner Freizeit beschäftige ich mich am liebsten mit …
In meiner Freizeit lese ich gern, spiele Darts und bin kreativ.
Welche drei Dinge würden Sie auf eine Insel mitnehmen?
Auf eine Insel würde ich mein E-Book, ein Zelt und ein Messer mitnehmen.
Haben Sie ein Buch, das Sie empfehlen können?
Ich empfehle gern „Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien (Hörbuch-Ausleihe 13492-13494). Das ist mein absolutes Lieblingsbuch. Lesen ist mein Ticket in andere Welten.
Ihr Lebensmotto?
Das Glas ist immer halb voll.
Nachruf
Im Gedenken an Werner Uhlig
Wir trauern um Werner Uhlig. Er starb am 30. November 2024 im Alter von 92 Jahren.
In den 1990er und 2000er Jahren konnte man ihm oft im dzb lesen begegnen. Da unterrichtete er Späterblindete im Braillelesen. Ihm, dem die Brailleschrift seit frühester Kindheit ein enger Wegbegleiter war, lag es am Herzen, anderen blinden Menschen durch die Kenntnis der Blindenschrift neue Freiräume zu schaffen. Er selbst war immer ein aktiver, ein freundlicher und neugieriger Mensch. Im Erzgebirge geboren, in Chemnitz zur Schule gegangen, kam er zum Studium nach Leipzig und blieb der Stadt bis an sein Lebensende verbunden. Nach seiner Ausbildung zum Korbmacher in Chemnitz besuchte er in Leipzig die Arbeiter- und Bauernfakultät und studierte dann an der Universität Leipzig. Neben seiner Tätigkeit als Hochschuldozent war er immer in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe aktiv, leitete als Vorsitzender einige Jahre die Bezirksorganisation Leipzig des Blinden- und Sehschwachenverbandes der DDR. Durch seine offene, geradlinige und herzliche Art gewann er immer wieder Mitstreiter für seine vielen Ideen. Eines seiner großen Herzensprojekte war der Leipziger Blindenpark. Seinem Engagement ist die Einweihung 1987 im Rosenthal zu verdanken. Nach der Wende im Ruhestand widmete er sich intensiv der Geschichtsschreibung – wohl wissend, dass verloren ist, was man nicht schriftlich festhält. Der Deutschen Zentralbücherei für Blinde, heute dzb lesen, war er immer eng verbunden. Ideell und finanziell unterstützte er das Anliegen des Hauses, Literatur für blinde und sehbehinderte Menschen barrierefrei zur Verfügung zu stellen, aktiv mit seiner Mitgliedschaft im Förderverein. Mit zahlreichen Beiträgen zur Geschichte blinder und sehbehinderter Menschen in Sachsen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, trägt er maßgeblich dazu bei, dass das Leben blinder und sehbehinderter Menschen in der DDR nicht in Vergessenheit gerät.
Ein reiches, ein erfülltes Leben ist für ihn zu Ende gegangen und es werden sich viele Menschen, auch beim Lesen seiner Beiträge, an ihn erinnern.
Wir werden ihn vermissen und in seinem Sinne weiterdenken.
Rätsel
Machen Sie mit und gewinnen Sie!
Wir wollen wissen: Wie heißt Domenico Müllensiefens zweiter Roman?
Schicken Sie Ihre Antwort bis zum 5. Mai 2025 per E-Mail (presse@dzblesen.de) oder per Post an: dzb lesen, Kennwort: Rätsel „in puncto dzb lesen“, Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig.
Das können Sie gewinnen: das Spielebuch „Der Moral-o-mat“
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des dzb lesen können nicht teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Auflösung aus 4/2024
Die richtige Antwort lautet: 4500 Meter.
Der glückliche Gewinner heißt: Norbert Lieb. Herzlichen Glückwunsch!
Gewinnerin eines kostenfreien Abonnements des „Literaturtreff“ 2025:
Kornelia Faber. Herzlichen Glückwunsch!
Impressum
Herausgeber, Herstellung, Vertrieb
Deutsches Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen)
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Redaktion
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Telefon: 0341 7113-148
g.schulze@dzblesen.de
Abonnements, Anzeigen
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„in puncto dzb lesen“ erscheint viermal im Jahr kostenfrei per E-Mail, online unter www.dzblesen.de, im Format DAISY digital sowie in Braille-Kurzschrift digital. Kostenpflichtig erscheint die Zeitschrift im Format DAISY als CD sowie in Braille-Kurzschrift gedruckt. Das kostenpflichtige Abonnement gilt für ein Jahr ab Bezugsbeginn und kann anschließend jederzeit monatlich gekündigt werden. Es gelten die AGB des dzb lesen, die vollständig unter www.dzblesen.de/agb einsehbar sind. Auf Wunsch senden wir die AGB gern zu.
dzb lesen 2025
Danke Freunde!
dzb lesen wird unterstützt vom Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“
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