in puncto dzb lesen - 01 / 2022

01 2022

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

„Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ (Es ist unklar, von wem dieses Zitat stammt: Mark Twain, Nils Bohr, Winston Churchill?) Wir jedenfalls schauen optimistisch in die Zukunft und lassen uns darauf ein, Pläne für 2022 zu schmieden. So erfahren Sie im Interview mit Prof. Dr. Thomas Kahlisch, dem Direktor des dzb lesen, welche Aufgaben und Projekte 2022 im Fokus des dzb lesen stehen. Barrierefreie E-Books sind noch Zukunftsmusik. Doch die Buchbranche ist im Aufbruch. Bis Juni 2025 muss sie ihre Webshops, E-Books und E-Reader barrierefrei gestalten. Lesen Sie, wie die Zusammenarbeit des dzb lesen mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels aussieht und wie das Zentrum die Verlagswelt in Sachen barrierefreie Gestaltung von E-Books unterstützen kann.
Auch wenn in diesem Jahr die Leipziger Buchmesse wieder ausfallen muss, unsere beiden Lesungen finden statt: Wer bei uns am 18. und 19. März liest, teilen wir Ihnen in unseren Kurzmeldungen mit. Ich hoffe, ich konnte Sie etwas neugierig machen und Sie freuen sich auch auf interessante Buchempfehlungen unserer Leserschaft!

Eine unterhaltsame Lektüre und genießen Sie die ersten warmen Frühlingstage!

Ihre Gabi Schulze
Redakteurin „in puncto dzb lesen“

Im Fokus

Barrierefreie E-Books: Die Buchbranche im Aufbruch

Ein Betrag von Gabi Schulze

Sofort und nicht erst Monate später den neuesten Bestseller lesen? Kein Problem. E-Books machen es möglich! Sie müssen nicht aufwändig gedruckt – aber barrierefrei produziert werden! Dann können die Inhalte mit der Braillezeile oder über den Screenreader gelesen werden. Bald ist das keine Zukunftsmusik mehr! Die Buchbranche muss das in Deutschland verabschiedete Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFGS) bis Juni 2025 in die Praxis umsetzen, d. h. Webshops, E-Books und E-Reader barrierefrei gestalten – so dass blinde und sehbehinderte Menschen sie ohne Abstriche mithilfe assistiver Technologien nutzen können. Dieses nationale Gesetz beruht auf dem Europäischen Gesetz zur Barrierefreiheit, dem European Accessibility Act (EAA).

Eine, die sich mit diesem Thema im dzb lesen beschäftigt, ist Dana Minnemann. Nach ihrem Studium der Verlagsherstellung an der HTWK in Leipzig arbeitete sie eine Zeitlang im Springer Verlag in Heidelberg, war dann als Grafikerin und Herstellerin im Mitteldeutschen Verlag in Halle (Saale) tätig und wechselte später zum Verlagsdienstleister le-tex publishing services, ehe sie in das dzb lesen kam. Von hier aus berät sie seit Juli 2020 Verlage und Dienstleister zu den Themen Barrierefreiheit und inklusives Publizieren, gibt Workshops für Verlagsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter und hält den Kontakt zu den Kooperationspartnern. Sie ist von Anfang an dabei, als der Börsenverein und das dzb lesen gemeinsam beschließen, die Verlage in Sachen barrierefreie Gestaltung von E-Books zu sensibilisieren und auch den Mehrwert zu erläutern, der sich für alle Beteiligten aus dem Prozess ergeben kann.

Was ist eigentlich ein barrierefreies E-Book?

E-Books haben den großen Vorteil, dass sie sehr flexibel sind. Wenn sie barrierefrei aufbereitet sind, können sich blinde Menschen die Bücher vorlesen lassen, seh- und lesebehinderte Menschen die Schrift vergrößern und ihren Bedürfnissen anpassen. Welchen Anforderungen muss ein E-Book genügen, damit es barrierefrei lesbar ist? „Grundsätzlich und auf den Punkt gebracht sollen die E-Books wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein. Informationen und Bestandteile der Benutzeroberfläche müssen so präsentiert werden, dass alle Leserinnen und Leser sie wahrnehmen können“, sagt Dana Minnemann. Das heißt zum Beispiel, dass die Verlage bei der Produktion ihrer E-Books darauf achten müssen, dass sie die Texte mit Überschriftenhierarchien, Aufzählungslisten und nummerierten Listen auszeichnen. Nur dann können Bildschirmvorleseprogramme die Strukturen und Hierarchien von Texten erkennen und akustisch und taktil ausgeben. Eine eindeutige und logische Lesereihenfolge ermöglicht eine umfassende Navigation. Auch müssen Alternativtexte für Bilder und andere visuelle Abbildungen vorhanden sein, Formeln sollten in zugänglicher Form dargestellt werden und auch ein interaktives Inhaltsverzeichnis gehört in den Anforderungskatalog für barrierefreie E-Books.

Börsenverein und Partner unterstützen Verlagswelt

Der Börsenverein und das dzb lesen gründeten im Dezember 2020 eine Taskforce (Arbeitsgruppe) zum Thema Barrierefreiheit. Sie versammelt neben Vertreterinnen und Vertretern der Buchbranche auch Expertinnen und Experten des dzb lesen und der Medibus e.V., der SBS Zürich, blista Marburg u. a. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich damit, den Verlagen bei der Umsetzung der Anforderungen zu helfen. Sie gibt konkrete Empfehlungen und ermöglicht der Buchbranche sich mit europäischen und internationalen Partnern auszutauschen. Gemeinsam mit Carsten Schwab (Diogenes Verlag) und Kristina Kramer (Börsenverein) bereitet Dana Minnemann die Treffen vor und moderiert sie.

Seit rund einem Jahr erarbeitete die Arbeitsgruppe Barrierefreiheit im Börsenverein die ersten Leitfäden mit praxisnahen Beispielen für die Buchbranche. Diese Handreichungen, die auf der Webseite des Börsenvereins veröffentlicht sind, stellen übersichtlich und in Kürze dar, wie barrierefreie E-Books produziert werden können. Seit Januar 2022 gibt es auch ein ausführliches Handbuch zum inklusiven Publizieren, das in Kooperation mit der gemeinnützigen Stiftung Fondazione LIA (Mailand) und dem Deutschen Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen) erstellt wurde.
Damit für die Buchbranche weitere Seminare und Fortbildungsangebote rund um die Barrierefreiheit konzipiert, Prüfwerkzeuge entwickelt und barrierefreie E-Books zertifiziert werden können, hat die Taskforce finanzielle Unterstützung beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales beantragt.

Probleme bei der Umsetzung des barrierefreien Zugangs

Auf die Frage, welche Schwierigkeiten es in der Buchbranche bei der Umsetzung des Barrierefreiheitsgesetzes gibt, macht Dana Minnemann deutlich: „Erste große Herausforderung und Hürde ist es meist, den Verlagen bewusst zu machen, warum Barrierefreiheit wichtig ist und für alle Menschen einen Mehrwert darstellt – nicht nur für seh- und lesebehinderte Menschen.“ Die barrierefreie Textgestaltung von digitalen Büchern wurde von den Verlagen bisher als zusätzliche aufwändige Arbeit mit erheblichen finanziellen Kosten wahrgenommen. Das trifft allerdings nur teilweise zu: „Man muss den Verlagen aufzeigen, dass die Barrierefreiheit in der Produktion digitaler Medien heutzutage schon an vielen Stellen berücksichtigt wird, die Voraussetzungen also gut sind und oft nur noch nachjustiert werden muss. Dann stellt sich bei einem Großteil der Verlagsmenschen oft schnell Erleichterung und das nötige Bewusstsein ein“, so Dana Minnemann. Nicht so einfach zu lösen, sei das Problem der sogenannten Backlists, also lieferbarer Titel, die nicht neu erschienen sind. Sollen diese auch barrierefrei zugänglich sein? Wenn ja, könne das für viele Verlage den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Hier bedarf es noch alternativer Konzepte auf EU-Ebene, erklärt die Expertin.

Dana Minnemann weiß um die Ängste der Verlage, die barrierefreien Zugang zu ihren Produkten und Dienstleistungen schaffen müssen. „2025 scheint noch weit entfernt, aber es sind Anpassungen in vielen Bereichen nötig. Wer sich schon jetzt über unsere Leitfäden und Webinare informiert und Vorkehrungen trifft, ist rechtzeitig und gut vorbereitet“, rät sie den Verlagen und Dienstleistern der Buchbranche.

Kurz gemeldet

Lesungen mit Katja Oskamp und Eskandar Abadi

Auch wenn die Leipziger Buchmesse zum dritten Mal in Folge ausfällt, unsere zwei geplanten Lesungen finden im dzb lesen statt. Wir planen auch, die Lesungen über Zoom zu übertragen, und schicken allen im dzb lesen angemeldeten Nutzerinnen und Nutzern rechtzeitig eine E-Mail mit einem Zugangslink. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich!

Lesung mit Katja Oskamp
Am 18. März, 19 Uhr liest Katja Oskamp aus ihrem Roman „Marzahn, mon amour“. Die Autorin erzählt darin Geschichten einer Fußpflegerin, die im einst größten Plattenbaugebiet der DDR Rentnern, Berliner Ureinwohnern und ehemaligen Parteisekretären begegnet. Es sind zum Teil sehr lustige, aber auch traurige und ergreifende Porträts – immer individuelle Schicksale, die die Autorin mit großer Anteilnahme, viel Herz und Gespür für Komik zeichnet.
Das Buch wurde im dzb lesen in Braille-Voll- und -Kurzschrift und in Großdruck produziert.

Lesung mit Eskandar Abadi
Der iranische Autor Eskandar Abadi liest am Samstag, dem 19. März, 19 Uhr „Aus dem Leben eines Blindgängers“. Das Buch des blinden Autors, der heute in Köln lebt, erscheint im Frühjahr im Katapult-Verlag. Darin geht es um einen geburtsblinden Iraner, der 1980 an der iranisch-türkischen Grenze von den Revolutionsgarden daran gehindert wird, das Land zu verlassen. Er verschwindet spurlos. Sein Begleiter Musa schafft es bis nach Deutschland und mit ihm eine Aktentasche voller Notizen und Tonbandaufnahmen, in denen der Iraner aus seinem Leben erzählt.

„Ich schenk dir eine Geschichte“ in Braille, Großdruck und als Hörbuch

Am 23. April, dem Welttag des Buches, geben auch wir Freude am Lesen weiter. Im Rahmen der deutschlandweiten Aktion „Ich schenk dir eine Geschichte“ schenkt das dzb lesen blinden, seh- und lesebehinderten Kindern eine Geschichte, in der Unmögliches möglich wird. 2022 ist es das Buch „Iva, Samo und der geheime Hexensee“ von Bettina Obrecht. Das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen hat das Buch in Braille-Voll- und -Kurzschrift, Großdruck und neu auch als Hörbuch produziert. So können alle Kinder gemeinsam an der Aktion teilhaben. Die Produktion des Buches ist ein Beitrag des dzb lesen zur Inklusion und Leseförderung blinder, seh- und lesebehinderter Kinder.

Rabatt-Aktion: Stilelemente der Architektur

Von der ionischen Säule und den Blütenkapitellen über Bogen und Ornamente bis hin zu Zwiebeldächern und Giebeln – das alles sind faszinierende Stilelemente der Architektur, die über die Jahrhunderte hinweg von erstaunlichen technischen Leistungen zeugen. Architektonische Grundbegriffe werden anhand von einfarbigen Folienreliefs erläutert, z.B. die verschiedensten Formen von Bogen oder die Säulenbasis mit ihren Hauptteilen. Interessenten erfahren mehr über die Bestandteile eines Dachstuhles und einer Kuppel. Vorgestellt und tastbar dargestellt werden Dachformen und Hausgiebel einzelner Stilepochen und Frontansichten berühmter Bauten.

Folgende drei Bücher (Kurzschrift, Ringbindung) mit vielen Folienreliefs können Sie zu einem Preisnachlass von 50 Prozent kaufen:

Stilelemente der Architektur: Säulen und Kapitelle
1 Broschur, 23 Euro (netto), Verkauf 2303

Stilelemente der Architektur: Bogen und Ornamente
1 Broschur, 19 Euro (netto), Verkauf 2340

Stilelemente der Architektur: Dächer, Kuppeln und Giebel
1 Broschur, 23 Euro (netto), Verkauf 2537

Weitere Informationen und Bestellungen telefonisch unter 0341 7113 119 oder per E-Mail verkauf@dzblesen.de.

Informationsveranstaltung „Digitale Barrierefreiheit erfolgreich umsetzen“

Am 10. März 2022, von 10 bis 12.30 Uhr findet online die Informationsveranstaltung „Digitale Barrierefreiheit erfolgreich umsetzen“ statt. Sie gibt Antworten auf Fragen wie beispielsweise: Welche Anforderungen gelten für eine barrierefreie Webseite oder App? Was sind typische Barrieren im Internet und auf welche Weise erschweren sie Menschen mit Behinderung den Zugang zu Wissen und Informationen? Wie kann man digitale Barrieren im Internet melden? Und was sind die Aufgaben einer Durchsetzungsstelle? Öffentliche Stellen erfahren, was eine „Erklärung der Barrierefreiheit“ auf ihrer Internetseite beinhalten muss und wie der barrierefreie Zugang von Internetseiten geprüft werden kann.

Die Veranstaltung wird von der Staatskanzlei in Zusammenarbeit mit der Überwachungsstelle (dzb lesen) und der Durchsetzungsstelle (Geschäftsstelle des Landesbeauftragten für Inklusion von Menschen mit Behinderungen) in Sachsen organisiert.

Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie im Beteiligungsportal des Freistaates Sachsen.

Interview

Das dzb lesen im Jahr 2021

Das dzb lesen im zweiten Jahr der Pandemie, der neue Internetauftritt, die Weiterentwicklung des Sprachassistenzsystems Alexa, die Zusammenarbeit mit dem Börsenverein und Medibus, bevorstehende Aufgaben und persönliche Wünsche – Prof. Dr. Thomas Kahlisch, Direktor des dzb lesen, gibt in einem Interview Auskunft.

Herr Kahlisch, 2021 war das zweite Jahr, in dem das dzb lesen unter Pandemie-Bedingungen arbeiten musste. Mit welchem Gefühl starten Sie ins neue Jahr 2022?

Wir haben gezeigt, dass wir im dzb lesen auch unter schwierigen Bedingungen arbeiten und unsere Dienste aufrechterhalten können. So gesehen bin ich optimistisch, auch in diesem Jahr den Anforderungen zu entsprechen und das Haus sicher durch das dritte Jahr der Pandemie zu lenken.

Im Interview vor einem Jahr haben Sie wichtige Themen für das Jahr 2021 benannt: Neuer Internetauftritt und Webshop, Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und die Zusammenarbeit mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels …
Vor welchen Herausforderungen stand das Zentrum im vergangenen Jahr?

Die Konzipierung, Realisierung und Testung unseres neuen Webauftritts haben uns viele Monate in Anspruch genommen. Am Ende können wir sehr stolz auf diesen mustergültig barrierefreien Auftritt sein. Wir haben viel positives Feedback erhalten und sind dabei, Schwachstellen zu beseitigen und Verbesserungen vorzunehmen. Die Webpräsenz ist der erste und wichtigste Anlaufpunkt und die beste Form der Kontaktaufnahme mit uns und unseren Angeboten. Der Webshop war lange geplant und ist im November ebenfalls online gegangen. Wie die Nachfrage zeigt, haben wir mit unserer gründlichen Vorbereitung und detaillierten Umsetzung ein Ergebnis erzielt, das sich sehen lassen kann und seine Nutzerinnen und Nutzer findet. Für Außenstehende ist es ja immer nicht leicht, nachzuvollziehen, wer im dzb lesen was kaufen oder ausleihen darf. Wir denken, es ist uns gut gelungen, die Anwenderinnen und Anwender zu führen und ich kann alle nur bitten, es auszuprobieren und uns wissen zu lassen, wenn etwas klemmt oder unklar ist.
2021 haben wir unsere Ausleih- und Abspielmöglichkeiten mit dem Sprachassistenzsystem Alexa weiterentwickelt. Die Anwenderinnen und Anwender können jetzt im Katalog suchen, Titel auswählen und abspielen oder zurückgeben. Es gibt auch die Möglichkeit, aus Vorschlagslisten auszuwählen und die Werke komfortabel auszuleihen. Ein wichtiger Punkt des vergangenen Jahres war, die Sicherheit und die Stabilität unserer digitalen Angebote zu verbessern. Obwohl hin und wieder Störungen auftraten, ziehen wir in diesem Bereich eine positive Bilanz und konnten den Download-Bereich aufrechterhalten.
Mich freut besonders, dass wir wieder neue Kinderbücher, Rätselhefte und sogar erstmals ein Skatspiel ins Angebot aufnehmen konnten.
Die Kooperation mit dem Börsenverein hat richtig Fahrt aufgenommen. Gemeinsam mit Verlagsexpertinnen und -experten erarbeiteten wir Anleitungen, mit denen Verlage zukünftig ihre E-Books schon im Prozess der Herstellung barrierefrei gestalten können. Dies wird zu großen Veränderungen führen und den blinden, seh- und lesebehinderten Menschen entscheidende Fortschritte bei ihrem Zugang zum Wissen der Welt bieten.
Mit einer digitalen Veranstaltungsreihe im September zu verschiedenen Themen, wie z. B. barrierefreie Dokumente und Internetseiten, konnten wir zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer aus dem ganzen Bundesgebiet virtuell erreichen und erfreuen.

Welche wichtigen Aufgaben stehen 2022 für das Zentrum an?

Wir arbeiten gerade an einer Möglichkeit, Großdrucke an unsere sehbehinderten Leserinnen und Leser auszuleihen. Das Projekt befindet sich in der Detailplanung und wir gehen davon aus, dass wir noch im ersten Halbjahr dieses Angebot realisieren. Unsere App für den Download der Daisy-Bücher werden wir mit einigen Funktionen zur Sprachsteuerung erweitern. Das wird es für die Anwenderinnen und Anwender am Smartphone noch einfacher machen, die Bücher abzuspielen. Außerdem arbeiten wir daran, viele Bücher in barrierefreier Form zugänglich zu machen: Braille, Großdruck und das große Spektrum an Hörliteratur, das auch durch die verstärkten Übernahmen aus dem kommerziellen Bereich immer aktueller und umfangreicher wird. Unser Notendienst wird ab diesem Jahr weltweit verfügbar sein. Das bedeutet, dass internationale Spezialbibliotheken die Software über das Internet nutzen können, um ihren blinden Musikerinnen und Musikern hochwertige Notenmaterialien an die Hand zu geben. Ein schönes – wenn auch sehr spezielles neues Angebot – ist unsere neue Strickzeitschrift. Da sind der Hausfrau oder dem Hausmann keine Grenzen gesetzt, ihre Lieben mit neuen Kreationen zu überraschen.

Stichwort: Ausleihe von Großdruckliteratur. Welchen Service können die Nutzerinnen und Nutzer des dzb lesen in Anspruch nehmen, wenn die Ausleihe läuft?

Das erzähle ich Ihnen, wenn die Planung und Programmierung abgeschlossen sind. Fakt ist, dass wir unsere neuen Großdruckangebote neben dem Verkauf auch zur Ausleihe registrierten Nutzerinnen und Nutzern bereitstellen werden. Auch verschiedene öffentliche Bibliotheken haben sich nach diesem neuen Angebot erkundigt und wollen sich als befugte Stellen registrieren lassen, um ihren Nutzerinnen und Nutzern mit Seheinschränkungen Großdruck anzubieten.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Medibus-Bibliotheken aus? In welchen Bereichen gibt es da neue Entwicklungen?

Die Zeit, in der jede Bibliothek eigene Lösungen allein für sich selbst entwickelt hat, ist vorbei. Wir sind dabei, das von uns bereits eingesetzte Bibliothekssystem in allen Medibus-Einrichtungen zu etablieren. Auf Basis dieser Software werden wir Lösungen für den Download von Braille und für die Einführung einer E-Book-Ausleihe entwickeln.

Und wie immer am Ende des Interviews die Frage: Welches Buch haben Sie 2021 gelesen, das Sie gern weiterempfehlen möchten?

Volker Kutscher hat seine Romanreihe über den aus Köln stammenden Kriminalkommissar Rath beendet. Die Verfilmung „Babylon Berlin“ hat ja schon viele Preise eingeheimst. Ich habe alle sieben Bände lebendig gewordene Geschichte der 20er und 30er Jahre verschlungen und kann diese nur weiterempfehlen. Was mich auch beeindruckt hat, waren drei Romane des amerikanischen Autors Thomas Mullen. Die sogenannte Darktown-Serie erzählt von der ersten rein aus schwarzen Polizisten bestehenden Einheit, die in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in Atlanta ihre Arbeit aufnimmt und dort mit unglaublichem Rassismus und abstoßender Ungerechtigkeit konfrontiert wird. Wir haben diese Bücher als kommerzielle Lesungen übernommen und ins Daisy-Format umgewandelt.

Wie sehen Ihre persönlichen Wünsche für 2022 aus?

Reisen, in Gaststätten gehen, mit Freunden treffen, gemeinsam singen und die Saiten der Gitarren quälen; wenn Corona uns lässt.

dzb lesen 2021: Zahlen und Fakten

  • 43,1 % unserer Nutzerschaft ist unter 60 Jahre und 54,9 % über 60 Jahre alt (2 % haben keine Angaben gemacht).
  • Im Hörbuchbereich am meisten ausgeliehen wurde der historische Roman „Der Morgen einer neuen Zeit“ von Ken Follett.
  • 2.521 Nutzerinnen und Nutzer haben sich Hörbücher heruntergeladen.
  • 2021 wurden 160 Titel in Brailleschrift und 63 Titel in Großdruck übertragen.
  • 206 Titel lasen die Sprecherinnen und Sprecher im Studio, 121 Belletristik, 69 Sachliteratur und 69 Kinder- und Jugendliteratur.
  • Im Bestand der Bibliothek sind knapp 19.330 Titel in Brailleschrift, 55.996 Hörbuch-Titel, ca. 7.000 Braillenoten-Titel und 1906 Hörfilme.
  • Unter den tastbaren Bilderbüchern für Kinder bis 6 Jahren waren die Klapperlapapp-Reihe von Antje Mönnig, „Florentins Reise“ von Alisa Semevskaya, „Oskar liebt …“ von Britta Teckentrup und der „Grüffelo“ von Axel Scheffler die absoluten Verkaufshighlights.
  • „Das Lehrheft zum Erlernen der Vollschrift für Blinde“ von Hans Klemm führt die Liste der am meisten ausgeliehenen Braillebücher an.
  • 75 kg Leim verbrauchte die Buchbinderei.
  • In der Druckerei wurden ca. 7.700.000 Seiten gedruckt, das entspricht einer Menge von ca. 23 Tonnen Blindenschriftpapier.

Nachgefragt

Lieblingsbücher unserer Leserschaft 2021

Welche Bücher lasen unsere Nutzerinnen und Nutzer im Jahr 2021? Wir haben nachgefragt. Vier Leserinnen und Leser stellen ihre Bücher vor.

Jan Weiler: Antonio im Wunderland

Empfohlen von Frank Lüders

Ich leihe mir hauptsächlich Hörbücher aus den Bereichen Naturwissenschaften, Geschichte, Biographien und Wirtschaft aus. Im letzten Jahr hat mir eine Bekannte das kommerzielle Hörbuch „Antonio im Wunderland“ ausgeliehen. Da ich kein Freund von gekürzten Fassungen bin, habe ich mir dieses Buch dann noch einmal im dzb lesen ausgeliehen.

Seit langem habe ich nicht mehr so gelacht, wie bei diesem Hörbuch. Der Autor Jan Weiler versteht es perfekt, den italienischen Akzent Antonios wiederzugeben. Was vielleicht kein Wunder ist, denn Jan Weilers Schwiegervater ist Italiener. Auch der Sprecher dieses Hörbuches Uwe Wriedt versteht es vorzüglich, mit seiner Stimme die unterschiedlichen Charaktere und Ausdrucksweisen der Protagonisten besonders hervorzuheben. Antonio, italienischer Gastarbeiter der ersten Generation, hat sich in Deutschland ein gutbürgerliches Leben aufgebaut. Nun, als Rentner, überrumpelt Antonio mit seiner typisch italienisch leidenschaftlichen Art seinen deutschen Schwiegersohn und einen durchgeknallten Freund aus alten Tagen, ihn auf geheimer Mission nach New York zu begleiten. Entgegen allen Erwartungen treffen dort die drei überraschenderweise Robert de Niro. Zwischen Antonio und dem italienisch-stämmigen Schauspieler entwickelt sich eine besondere Freundschaft. Für Antonio das Normalste der Welt.

Jan Weiler: Antonio im Wunderland, CD-DAISY (08:32 h), Ausleihe 11334

Maxim Leo: Haltet Euer Herz bereit

Empfohlen von Lydia Sasnovskis

Na ja, dachte ich, der Titel klingt nach netter, seichter Zerstreuung. Weit gefehlt! Was mich erwartete, war eines der packendsten Gegenwartsdokumente, die ich seit langem gelesen habe. Der Journalist Maxim Leo nimmt uns mit in seine sehr persönliche Familiengeschichte über gut vier Generationen, die mit dem Verlust seines Großvaters und der wiedervereinigten Gegenwart beginnt und sich über die Familien seiner Eltern und die deutsch-deutsche Vergangenheit bis hin zum Holocaust, dem (Über)leben von Jüdinnen und Juden im Krieg und Hitler-Deutschland und nicht zuletzt den ganz persönlichen zwischenmenschlichen Beziehungen spannt. Ich liebe Bücher, die nicht oder nur zum Teil erdacht sind, die ganz reale Schicksale und Lebenswege abbilden - in diesem Sinn hat mich Leos Buch von Anfang an gefangen genommen und bis zur letzten Seite gefesselt. Solche und viele weitere literarische Perlen kann man in der Zeitschrift "Literaturtreff" entdecken, den ich auch nach vielen Jahren immer noch begeistert lese und den Abonnentinnen und Abonnenten von "in puncto dzb lesen" wärmstens empfehlen möchte.

3 Bände, Kurzschrift, Ausleihe 19515, Verkauf 10043, 43 Euro
oder 8 Hefte, Verkauf 10189, 28,50 Euro

Björn Springorum: Der Ruf des Henkers

Empfohlen von Janine und Jessica Lenzenhuber

Die Entscheidung war nicht leicht, aber unser Lieblingsbuch, das wir 2021 in Brailleschrift gelesen haben, ist „Der Ruf des Henkers“ von Björn Springorum. Der Roman dreht sich um einen Jungen, Richard, der als Henkerslehrling mit seinem Meister zusammen (nicht ganz freiwillig) durch das England des 19. Jahrhunderts zieht. Auch übernatürliche Wesen spielen eine Rolle in dem Roman. Uns hat daran gefallen, dass es bis zum Schluss extrem spannend blieb und erst ganz am Ende das Geheimnis um den Henkersmeister und Richards große Liebe gelüftet wurde. Es war irgendwie gruselig und faszinierend zugleich, in dieses düstere Kapitel einzutauchen.

3 Bände, Kurzschrift, Ausleihe 19054

Terezia Mora: Alle Tage

Empfohlen von Iván Peter aus Budapest

Abel Nema, Emigrant vom Balkan, lebt in Berlin, meist in heruntergekommenen Absteige-Quartieren. Er ist ein Sprachgenie und spricht zehn Sprachen. Meistens aber schweigt er wie ein Grab. Er ist ein Fremder, nirgends zu Hause. Immer wieder versucht er, sein Leben in den Griff zu bekommen. Der Leser ahnt, dass ihm das nicht gelingen wird.
Den Roman zeichnet seine stilistische Vielfalt aus: Beschreibungen, soziolinguistische Abhandlungen, Charakterzeichnungen. Immer heiter, immer klug, immer lebensnah. Diese fünf Bände haben mir im letzten Jahr einen unvergesslichen September gebracht.

5 Bände, Kurzschrift, Ausleihe 15594

Nahaufnahme

Woher kommen die Kinderbücher für die Bibliothek?

Ein Beitrag von Gabi Schulze

Die Liebe zu Büchern und zum Lesen wird schon im Kindesalter geweckt: mit jedem neuen Buch, mit jeder Vorlesestunde und vielen Gute-Nacht-Geschichten. Deshalb liegen den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren im dzb lesen Kinder und Jugendliche besonders am Herzen. In der Hör- und Braillebibliothek finden Eltern, Pädagogen und natürlich Kinder mit einer Seh- und Lesebehinderung ein umfangreiches Angebot an Büchern in Brailleschrift und im DAISY-Format: tastbare Bilderbücher für die Kleinsten, Bücher zum Vorlesen und Lesenlernen, Kinderbücher für eifrig Lesende, Sachbücher und Jugendromane – alles Bücher, die man zum Großwerden gebrauchen kann. Rund 3700 Titel befinden sich aktuell im Bibliotheksbestand. Noch in diesem Jahr werden auch Bücher in Großdruck den Bestand ergänzen.

Manch einer fragt sich vielleicht, woher die vielen Braillebücher kommen, die den jungen Leserinnen und Lesern in der Ausleihe zur Verfügung stehen. Zum einen produziert das dzb lesen selbst Kinder- und Jugendbücher in Brailleschrift und im DAISY-Format. Welche Titel in die nähere Auswahl kommen, legt die Buchauswahlkommission (BAK) fest. Deren Mitglieder und Mitgliederinnen durchforsten Verlagsprospekte und Kataloge, aber auch Buchblogs und Magazine nach interessanten Neuerscheinungen und nehmen Leserwünsche auf.

Zum anderen kaufen die Bibliothekarinnen und Bibliothekare Kinderbücher bei Einrichtungen der Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen e.V. (Medibus) ein. „Ich recherchiere direkt in den Katalogen bekannter Einrichtungen, wie beispielsweise SBS Zürich, Blista Marburg, und nehme Empfehlungen und außerdem Wünsche von Leserinnen und Lesern auf“, berichtet Heiko Kampa in der Braille-Bibliothek. „Wie viele Bücher eingekauft werden können, richtet sich jedoch immer nach vorhandenen finanziellen Mitteln.“ Auch Caroline Schürer, Bibliothekarin und für die Leseförderung zuständig, wird bei ihrer Recherche nach Kinderbüchern bei anderen Verlagen und Partnern, wie dem DBSV und dem Verein Anderes Sehen e. V. fündig.

Bilderbücher mit tastbaren Abbildungen für die Kleinsten

So sind die taktilen Bilderbücher „Die Buchstabenfreunde“ von Susanne Sariyannis, „Rike Ringelnatter, komm nach Hause!“ von Reiner Delgado und „Die kleine Nacktschnecke“ von Melanie Rogge im dzb lesen auszuleihen. Sie fördern durch viel Interaktion das Lesen und Tasten, beflügeln durch Zuhören und Selberlesen die Fantasie der Kinder. Schwarz- und Brailleschrift ermöglichen, dass sowohl sehende als auch blinde und sehbehinderte Kinder die Bücher gemeinsam erleben können. Ähnlich wie in „Woran man ein Monster erkennt“ von Gustave Roldán, in dem die Kinder ertasten können, wie ein Monster aussieht. „Sylvester und der Zauberstein“ von William Steig eignet sich zum Vorlesen und für fortgeschrittene Leser. In der Geschichte geht es um einen kleinen Esel, dem ein großes Missgeschick passiert.

Tastbilderbücher sind sehr aufwändig in ihrer Herstellung und deshalb sehr teuer. Umso wichtiger ist es, dass Eltern und Pädagogen diese Bücher für ihre Sprösslinge kostenlos ausleihen können. In den letzten Jahren wurden im dzb lesen visuell ansprechende, taktile Bilderbücher, wie beispielsweise die Klapperlapapp-Reihe von Antje Mönnig („Formen und Oberflächen“, „Folge der Linie“, „Fühl mal, ein Tier!“, „Winter ist …“), „Florentins Reise“ von Alisa Semevskaya und „Oskar liebt“ von Britta Teckentrup produziert. All diese Bücher sind liebevoll taktil illustriert, zu fühlen sind zum Beispiel die flauschige Wolle eines Schafes, das weiche Fell einer Katze, der knirschende Schnee im Winter. Mitte 2022 wird ein weiteres Tastbilderbuch im dzb lesen erscheinen und ausleihbar sein: „Zwei Ameisen auf Reisen“ von Verena Zimmermann. Es ist für Kinder ab 6 Jahren und beinhaltet sechs Tiergedichte von Janosch bis Ringelnatz mit je einer passenden, taktilen Illustration.

Egal ob Bilderbücher mit taktilen Illustrationen für Vorschulkinder und Leseanfänger oder Kinderbücher in Brailleschrift oder DAISY-Hörbuchformat – wer Bücher ausleihen möchte, muss in der Bibliothek des dzb lesen angemeldet sein. Die Anmeldung kann online, per Telefon oder E-Mail erfolgen. Wichtig dabei ist, dass ein Nachweis der Seh- oder Lesebehinderung erbracht wird. Die Bibliothekarinnen und Bibliothekare freuen sich über jedes Mädchen und jeden Jungen, der bei uns liest.

Kinderbuchempfehlungen von Caroline Schürer

Caroline Schürer ist Bibliothekarin und engagiert sich im dzb lesen für die Leseförderung in den Schulen. So stellt sie vor Ort auch Kinderbücher vor, die die Mädchen und Jungen im dzb lesen ausleihen können. Im Folgenden einige Empfehlungen von ihr:

Bis 6 Jahre

Dirk Schmidt: Kamfu mir helfen?

Oh nein, der Elefant hat sich die Nase verbogen und fragt nun jedes Tier: Kamfu mir helfen? Witzig, abwechslungsreich und rasant garantieren die Reime vergnügtes Kinderlachen.

Braille-Vollschrift und Großdruck, transparente Foliereliefs mit unterlegtem Farbdruck, Ausleihe 19635

Britta Teckentrup: Oskar liebt …

Rabe Oskar liebt … das weite Meer, schöne rote Kirschen oder weiches Gras. Gemeinsam mit Oskar erleben Kinder Seite für Seite, wofür das kleine Rabenherz schlägt. Phantasievoll und poetisch regt das Buch die Kleinsten zu ersten Tasterlebnissen an.

Braille-Vollschrift und Großdruck, 10 taktile Illustrationen, herausnehmbarer Stoffrabe, Ausleihe 19712

Ab 6 – 12 Jahre

Nina Blazon: Ein Baum für Tomti

Ein Baumgeist gehört auf einen Baum! Tomti hat sich verirrt und sucht zusammen mit Maja ein neues Zuhause. Eine Geschichte voller Phantasie, mit geheimnisvollen Wesen und über echte Freundschaft. Zum Selberlesen ab 8 Jahre.

2 Bände, Braille-Vollschrift, -Kurzschrift, Ausleihe 19774/19773

Hendrik Lambertus: Die Mitternachtsschule - erste Stunde Geisterkunde

Milan versteht die Welt nicht mehr: Zum ersten Schultag soll er sich Punkt Mitternacht auf dem Friedhof einfinden! Auch seine Klassenkameraden machen einen seltsamen Eindruck und ihm wird schnell klar, er ist hier das einzige menschliche Wesen. Gruseliger Lesespaß ab 8 Jahre.

2 Bände, Braille-Vollschrift, -Kurzschrift, Ausleihe 19714/19713

Ab 12 Jahre

Oliver Uschmann: Meer geht nicht

Bina, Sharif und Samuel können es kaum glauben: Ihr neuer Freund Kevin hat zwar hinter dem Haus einen Mini-Teich mit Strand angelegt, war aber noch nie in seinem Leben am Meer. Das geht gar nicht! Deswegen brechen die 13-Jährigen gleich am nächsten Wochenende Richtung Nordsee auf, heimlich, ohne Eltern und Handys. Spannendes Roadmovie!

1 Band, Braille-Vollschrift, -Kurzschrift, Ausleihe 19793/19792

Hingehört

Eine Heldin, wie sie im Buche steht

Was für ein außergewöhnliches Leben! Welch ein Beispiel für zivilen Ungehorsam! Was für eine Heldin! Es ist die Lebensgeschichte der französischen Widerstandskämpferin Anne Beaumanoir, die Anne Weber in „Annette – ein Heldinnenepos“ erzählt. Maja Chrenko, Sprecherin im dzb lesen, hat das Buch im Studio gelesen. Erfahren Sie mehr über dieses Hörbuch, dessen ungewöhnliche Form und die Herausforderungen, die die Sprecherin beim Lesen meistern musste. Ein Beitrag von Gabi Schulze

Ein Epos? Kein Roman? Werden Sie fragen und diesen Artikel schnell überblättern. Doch halt! Das wäre ein Fehler! Denn eines ist klar: Zum einen fesselt die Geschichte garantiert jeden, der sie hört. Zum anderen sind es Verse ohne Reim, die ins Ohr gehen. „Versepen, die ihren Ursprung in der Antike haben, sind wir nicht mehr gewöhnt. Die ungewöhnliche Form passt aber in jedem Fall zu dieser ungewöhnlichen Heldin“, meint Maja Chrenko, die Anne Webers Biografie ihre Stimme leiht. Sie bewundert Anne Beaumanoir als einen Menschen, der „sein ganzes Leben lang sozusagen widerständig lebte und diese Kraft bis ins hohe Alter erhalten hat. Das ist sehr beeindruckend.“

Ein Leben im Widerstand

Wer nun ist diese Anne Beaumanoir? In einem bretonischen Fischerhäuschen 1923 geboren, kämpft sie schon als junges Mädchen in der französischen Résistance gegen die deutschen Besatzer, rettet im Alleingang und entgegen der Regeln des Untergrundes jüdische Kinder. Sie bekommt ein Kind, dessen Vater man noch vor Kriegsende ermordet. Die junge Frau studiert Medizin, wird Neurophysiologin, heiratet mit 23 Jahren und wird Mutter zweier weiterer Kinder. Als 1954 der Algerienkrieg beginnt, geht sie für die Unabhängigkeit des nordafrikanischen Landes in den Widerstand. Sie agiert gegen ihr eigenes Land und bringt Geld der algerischen Unabhängigkeitsfront FLN ins Ausland. Während eines Einsatzes wird sie verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Diesem Urteil kann sie sich nur durch eine Flucht nach Tunis entziehen. Ihre Kinder muss sie zurücklassen. „Hier kommt für mich die ganze Widersprüchlichkeit der Heldin zum Ausdruck“, meint Maja Chrenko und erinnert sich an diese besondere Szene. „Ich habe selbst Kinder. Eine solche Entscheidung ist für mich sehr schwer nachvollziehbar.“

Ein „Irrtum, der zu Schmerz geworden ist“

Es sind ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und die Treue zu ihren Überzeugungen und Visionen – für diese Ideale nimmt Anne Beaumanoir auch den schmerzlichen Verlust ihrer Kinder in Kauf. Da eine 1962 von Frankreich erlassene Amnestie nicht für französische FLN-Kämpfer gilt, kann sie nicht – wie erhofft – in ihr Heimatland zurückkehren. Sie engagiert sich zunächst für den Aufbau Tunesiens, arbeitet später im Gesundheitsministerium des algerischen Staates, der bald von einem Militärregime regiert wird. Eine weitere Enttäuschung in ihrem politisch engagierten Leben, dem sie ihr privates Glück geopfert hat! Hierin liege auch die Tragik dieser Frau, stellt Maja Chrenko fest. „Denn die Unabhängigkeit Algeriens hat genauso wenig umfassende Gerechtigkeit gebracht wie die Befreiung Frankreichs vom Faschismus.“

Heute ist Anne Beaumanoir 98 Jahre alt. Sie "trägt den Irrtum, der ein / Schmerz geworden ist, mit sich herum und / wälzt ihn auf den Hügel ihrer Jahre". So die Autorin Anne Weber. Ihre Gespräche mit der realen Heldin bilden die Grundlage für das Epos.

Wie liest man ein 200 Seiten langes Versepos?

Maja Chrenko hat sich gefreut, diese außergewöhnliche Biografie sprechen zu dürfen. Sie liest das Versepos mit seinen Zeilenumbrüchen in einer sachlichen und distanzierten Erzählweise. Was so einfach klingt, ist natürlich eine Herausforderung für jede Sprecherin und jeden Sprecher, erfahren wir von Maja Chrenko. Diese können die Zeilenumbrüche beim Lesen nicht einfach ignorieren. Schon die Verse selbst verlangen eine andere Betonung und Wertung als die fließende Prosa. Es ist deshalb sehr wichtig, so Maja Chrenko, beim Sprechen der Verse einen Erzählduktus beizubehalten. Sie weiß, wovon sie spricht: Während ihrer Theaterausbildung hat Maja Chrenko das Verssprechen gelernt. Doch ein 200 Seiten langes Versepos sei nicht mit Versen auf der Theaterbühne zu vergleichen. „Im Versepos gibt es einen ständigen Wechsel zwischen innerer und äußerer Handlung. Es ist die äußere Handlung, die mitunter wie mutwillig umgebrochene Prosa wirkt. Was natürlich mit den Umbrüchen im Leben von Annette einhergeht“, sagt die Sprecherin und meint damit die Alltags- und Lebensszenen der Heldin, die vor dem Hintergrund der Weltgeschichte im vergangenen Jahrhundert erzählt werden.
Maja Chrenko gelingt es, Sprechtempo, Pausen und Betonung so zu erzeugen, dass der getragene Rhythmus des Versepos und die prosaische Erzählweise fließend ineinander übergehen. So ist ein Hörbuch entstanden, das in einer ungewöhnlichen Form von einer außergewöhnlichen Heldin erzählt. Höchst spannend und ein Genuss für die Ohren!

Technik getestet

Blindshell Classic 2 – mehr als ein Handy und nicht nur für Senioren

Ein Beitrag von Susanne Siems

Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland nutzen gegenwärtig ein Smartphone. Im Jahr 2013 waren es laut Internet erst 41 Prozent. Sicherlich sind Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch schon mal von der älteren Generation gebeten worden, bei Wikipedia nachzuschauen oder Sie haben Ihre Enkel nach einer Suche bei Google gefragt. Die letzten Urlaubsfotos zeigt man meist auf dem Handy, viele junge Leute schicken lieber Nachrichten anstatt zu telefonieren. Das Handy spielt Musik, Hörbücher, Filme und vieles mehr ab. Es ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.

Viele blinde Menschen nutzen ihr iPhone als tägliches Hilfsmittel. Was ist aber mit jenen Menschen, die aufgrund motorischer Einschränkungen (ob diese nun mit dem Alter oder Beeinträchtigungen zusammenhängen) Probleme haben mit Touch- und Wischgesten? Oder einfach das gute alte Tastentelefon mögen? Sogenannte Seniorenhandys gibt es viele, aber oft sind auch die nur bedingt geeignet für blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen.

Die tschechische Firma Matapo hat seit Längerem Tastentelefone im Angebot, die sich besonders gut für blinde oder sehbehinderte Menschen eignen. Bisher konnten mich diese Handys aufgrund ihres Preis-Leistungsverhältnisses und anderer Dinge nicht überzeugen. Man muss wissen, dass es bei den Blindshell-Produkten nicht möglich ist, jede beliebige Anwendung (App) auf das Handy zu laden. Das mag den versierten Handynutzer abschrecken, bringt aber für nicht so technikaffine Menschen durchaus Übersichtlichkeit und Sicherheit. Seit September 2021 gibt es nun das neue Blindshell Classic 2. Hier erscheinen mir viele Dinge gut überlegt und ausgereift.

Bedienung und Funktionen

Was genau verbirgt sich hinter diesem Produkt? Es handelt sich um ein Mobiltelefon, das auf einem Android-System basiert. Es kann mit einem WLAN-Netz verbunden werden und unterstützt somit auch internetbasierte Funktionen wie WhatsApp, YouTube und Internetradio. Natürlich bringt es alle grundlegenden Funktionen eines Handys mit, man kann damit telefonieren, Nachrichten versenden und Kontakte verwalten. Die Bedienung ist sehr übersichtlich. Zusätzlich zum Ziffernblock gibt es lediglich acht Tasten, sechs unterhalb des Displays und zwei an den Seitenkanten. Die Tasten sind größer und besser fühlbar als bei den Vorgängermodellen und gut lesbar beschriftet. Besonders unterstützend wirkt die Sprachmenü-Führung, die dem Nutzer alles ansagt. Mit ein wenig Übung hat auch ein nicht so Handy-erfahrener Mensch die Bedienung schnell verstanden. Der Lautsprecher besitzt eine recht gute Qualität, so dass man gut Radio oder Hörbücher damit hören kann. Bedauerlich finde ich, dass es, trotz anfänglichem Bemühen, dem Entwickler bisher nicht gelungen ist, die dzb lesen-App zum Laufen zu bringen. Ich hoffe, da ändert sich noch etwas. Da man den Speicher des Handys mit einer externen SD-Karte erweitern kann, gibt es aber die Möglichkeit, Hörbücher über den PC ein- und über die Lese-App auch im DAISY-Format abzuspielen.

Die mit der eingebauten Kamera gemachten Fotos kann man mit Audiobeschreibungen versehen. Die Foto-App ermöglicht es auch, Bilder, die man vorher auf das Blindshell geladen hat, anzusehen. Dabei ist eine bis zu achtfache Vergrößerung möglich. Überlegen Sie einmal: Wenn Ihr Enkel Fotos vom Urenkelchen schickt, können Sie diese gleich betrachten und sogar mit etwas Übung auf die Nachricht antworten.

Spracheingabe und Kurzwahltasten

Eine sehr wichtige Funktionstaste befindet sich an der rechten Seite des Handys. Dort kann man mit langem Drücken die Spracheingabe aktivieren, so dass man nicht mühsam jeden Text über die Tastatur eintippen muss. Ansonsten dient diese Taste der Definition und dem Abruf von Favoriten. Favoriten sind nützlich, um schnell zu für Sie wichtigen Anwendungen zu gelangen, zum Beispiel den Wecker oder das Internetradio.

Die SOS-Taste auf der Rückseite kann mit einer Nummer definiert werden. Sie ist groß und gut fühlbar, aber sie löst sich auch nicht selbst aus. Allerdings muss man immer noch einmal den Bestätigungsknopf drücken, das sollte man wissen.

Eine gute Hilfe sind die Kurzwahltasten, die ähnlich wie beim Festnetz definiert werden können. Bis zu 9 sind möglich.

Wenn ich alle Funktionen hier aufführen würde, wäre der Bericht bestimmt fünf Seiten lang. Ich habe bewusst auf Details verzichtet und verweise hierzu auf den Testbericht der Seite: https://merkst.de/test-matapo-blindshell/

Mir ging es um eine allgemeine, eher persönliche Einschätzung. Ich vermisse leider eine Mailingliste oder ein Forum von Blindshell-Nutzern. Da könnte man die ein oder andere Antwort auf manche Frage finden. Aber vielleicht kommt das ja noch.

Unsere Technikberatung LOUIS und zu diesem Thema, insbesondere auch ich, stehen für Fragen und Auskünfte gern zur Verfügung unter louis@dzblesen.de (s.siems@dzblesen.de).

Fragebogen

Sechs Fragen – sechs Antworten

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter antworten auf unsere Fragen. Diesmal: Peter Hablick (Druckerei)

Was ist Ihre Aufgabe im dzb lesen?

Ich arbeite in der sogenannten Schwarzdruckerei. Im Gegensatz zur Punktschriftdruckerei stelle ich den überwiegenden Teil der anfallenden Druckaufträge für sehende und sehbehinderte Menschen her, zum Beispiel Adressen für den Zeitschriftenversand, Visitenkarten, Großdruckkalender, Kinderbücher, Werbungen, Broschüren, Flyer usw.

Welche Arbeit haben Sie gerade auf dem Tisch?

Im Moment drucke ich Anmeldeformulare und die Benutzerordnung für neue Nutzer, außerdem den Großdruck für zwei Kinderbücher.

In meiner Freizeit beschäftige ich mich am liebsten …

… mit Holz. Ich bin gern handwerkermäßig tätig. Außerdem mache ich gern Radtouren mit dem E-Bike.

Welche drei Dinge würden Sie auf eine Insel mitnehmen?

Tja, schwierige Frage, kommt auf die Insel an. Auf alle Fälle Werkzeug und etwas zum Feuer machen.

Haben Sie ein Buch, das Sie empfehlen können?

Ebenfalls schwierig, da die Geschmäcker sehr verschieden sind. Ich lese sehr gern Bücher von Tom Brown Jr. sowie Joseph M. Marshall.

Ihr Lebensmotto?

Versuche alle Dinge zu vereinfachen. Sei freundlich und respektvoll zu jedem.

Rätsel

Machen Sie mit und gewinnen Sie!

Wir wollen wissen: Wie heißt das Hörbuch, das die Biografie einer außergewöhnlichen Frau zum Inhalt hat?

Schicken Sie Ihre Antwort bis zum 6. Mai 2022 per E-Mail presse@dzblesen.de oder per Post an: dzb lesen, Kennwort: Rätsel „in puncto dzb lesen“, Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig.

Das können Sie gewinnen: einen Kahla Kaffeebecher „Good Braille“ aus Porzellan!

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des dzb lesen können nicht teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Auflösung aus 4/2021

Die richtige Antwort lautet: Einfach machbar e.V.

Der glückliche Gewinner heißt: Henry Schenker. Herzlichen Glückwunsch!

Impressum

Herausgeber, Herstellung, Vertrieb

Deutsches Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen)

Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig

Telefon: 0341 7113-0, Fax: 0341 7113-125

info@dzblesen.de, www.dzblesen.de

Redaktion

Gabi Schulze

Telefon: 0341 7113-148

g.schulze@dzblesen.de

Abonnements, Anzeigen

Telefon: 0341 7113-120

abo@dzblesen.de

„in puncto dzb lesen“ wird im Format HTML per E-Mail viermal im Jahr kostenfrei versandt und online unter www.dzblesen.de veröffentlicht. Kostenpflichtig erscheint die Zeitschrift wahlweise im Format DAISY als CD oder zum Download (dzb lesen-App und -Katalog) sowie in Braille-Kurzschrift zu einem Jahresbezugspreis von 9 €. Das kostenpflichtige Abonnement gilt jeweils für ein Jahr ab Bezugsbeginn und verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht spätestens mit einer Frist von drei Monaten vor Ablauf des Bezugszeitraums gekündigt wird. Es gelten die AGB des dzb lesen, die vollständig unter www.dzblesen.de/agb einsehbar sind. Auf Wunsch senden wir die AGB gern zu.

dzb lesen 2022

Danke Freunde!

dzb lesen wird unterstützt vom Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“

Alle Infos: www.barrierefreies-lesen.de

Spendenkonto: Sparkasse Leipzig

IBAN: DE44 8605 5592 1100 8300 10

BIC: WELADE8LXXX